Michelle Obama – Ein amerikanischer Traum
den Jahren vor ihrer Gründung 1972 hatten sie die gemeinsame Erziehung von Mädchen und Jungen abgelehnt. Ihren Widerstand gegen den Zeitgeist artikulierten sie in einer konservativen Zeitschrift, dem «Prospect». Dort wurden Standpunkte veröffentlicht, die auf afroamerikanische Studenten verletzend wirken mussten, zum Beispiel dass die weiße Kultur der schwarzen überlegen sei oder dass Schwarze stärker zur Gewalt neigten.
Michelle fand solche Gedanken natürlich empörend. Andererseits hielt sie sich an Studentenkreise, die die umgekehrte Form von Abschottung pflegten, wo die Schwarzen unter sich blieben. Sie besuchte die Veranstaltungen der «Organization of Black Unity» und des «Black Thought Table». Typische Diskussionen drehten sich um «die Frage, ob es bereits Verrat an der eigenen Rasse sei, eine von Weißen dominierte Hochschule zu besuchen», beschreibt Steve Dawson, Exvorsitzender der Association of Black Princeton Alumni (ABPA), die Stimmung. Eine Herausforderung war in dieser Atmosphäre der Umgang mit der Universitätszeitung «The Daily Princetonian», die unter Schwarzen als «typisch weißes Blatt» galt, jedoch neuerdings von einer Afroamerikanerin geleitet wurde: Crystal Nix Hines. Mit Hines war Michelle einerseits befreundet, und sie begrüßte deren Berufung zur Chefredakteurin als Zeichen, dass eine weitere historische Barriere in Princeton falle. Andererseits folgte daraus für sie nicht automatisch, dass die Zeitung nun ein Organ für die Sichtweisen beider Seiten sein solle, sondern sie erwartete, dass Hines die Texte zensiere. Als ein Artikel erschien, der einen schwarzen Politiker mit weniger schmeichelhaften Worten bedachte, verlangte Michelle nach Hines’ Erinnerung: «Du musst sicherstellen, dass so ein Bericht nie wieder erscheint.»
Trennend wirkten auch die unterschiedlichen Vermögensverhältnisse von weißen und schwarzen Studenten. Michelle kam aus einem bescheidenen Arbeiterhaushalt, viele Kommilitonen dagegen aus reichen Familien. In Princeton traf sie, wie sie der «Vogue» im September 2007 erzählte, «Studenten, die BMWs fuhren. Ich kannte bis dahin nicht mal Eltern, die einen BMW hatten.» Michelle bemühte sich, durch Jobs etwas Geld nebenher zu verdienen. Sie half in der Tagesbetreuungsstätte für den Nachwuchs von Universitätsangestellten aus. Schon damals bereitete ihr der Umgang mit Kindern viel Freude.
Die weggesperrte Abschlussarbeit
Michelle hat also zwiespältige Erfahrungen in Princeton gemacht. Und wer die These belegen möchte, sie habe sich diskriminiert gefühlt und dort sei der Ursprung zu finden für spätere Äußerungen, die sie als «angry black woman» erscheinen ließen, der kann genug Zitate finden, zum Beispiel in ihrer Abschlussarbeit. Als das Thema aufkam, haben die Obamas viele Monate lang die Aufklärungsbemühungen erschwert. 2007 ließen sie Michelles Bachelor-Studie für den öffentlichen Zugang sperren. Ursprünglich hatten sie den Verschluss bis zum Wahltag im November 2008 beantragt. Doch diese Zensur ließ sich nicht durchhalten. Ende 2007 und Anfang 2008 gab es eine Reihe bissiger Kommentare dazu. Barack Obama war bemüht, sich im Wettstreit mit Hillary Clinton um die Präsidentschaftskandidatur der Demokraten als der «transparentere» Bewerber darzustellen. Er legte seine Steuererklärungen offen, sie hielt die Öffentlichkeit lange hin. Doch dann verwischte der Konflikt um Michelles weggeschlossene Bachelor-Arbeit diesen Unterschied. Deshalb ließ die Kampagne Michelles Princeton-Studie von 1985 am 22. Februar 2008 in voller Länge auf den Internetseiten des Magazins «Politico» veröffentlichen. Bis heute drängt sich freilich der Eindruck auf, dass die meisten Menschen, die über Michelles Arbeit schreiben, sie nicht ganz gelesen haben.
Die Studie trägt den Titel «Princeton-Educated Blacks and the Black Community». Michelles Ziel war es, herauszufinden, ob Afroamerikaner durch ihr Studium in Princeton ihre Einstellung zum Umgang mit Schwarzen und Weißen ändern und ob sich ihre Bindung an die schwarze Gemeinschaft durch die Ausbildung verändert hat. Die Arbeit umfasst 98 DIN-A4-Blätter, davon 64 Schreibmaschinenseiten Text, 20 Seiten statistischer Anhang und nur eine Seite Bibliografie.
Bei der Vorbereitung dieser Studie erlebte Michelle zwei Enttäuschungen. Vielleicht hat sich auch der Unmut darüber in manchen Formulierungen und Thesen niedergeschlagen. An 400 afroamerikanische Princeton-Absolventen hatte sie
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