Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mick Jagger: Rebell und Rockstar

Mick Jagger: Rebell und Rockstar

Titel: Mick Jagger: Rebell und Rockstar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Spitz
Vom Netzwerk:
bevor Reid je eine Gitarre zu Gesicht bekam, die Frage beschäftigt hatte, was Schwarze und Weiße musikalisch glaubhaft vermitteln können, wusste noch nicht, dass er wieder einmal seine Hand im Spiel haben sollte, wenn einem Vorurteil der Garaus gemacht wurde. Er war lediglich auf der Suche nach einem herausragenden Gitarristen. Diesmal wollte er keine dieser hochkarätigen Studiomusiker dabei haben. Er war von diesen Perfektionisten etwas angeödet und ihm schwebte ohnehin ein Sound vor, der rauer und wilder, mehr nach Gosse klingen sollte. Vernon Reid wurde ihm von Doug Wimbish empfohlen, der als Bassist an Primitive Cool mitwirkte und zu den Gründungsmitgliedern von Living Colour gehörte. »Mick wollte einmal was ganz anderes haben, als die Typen, mit denen er üblicherweise arbeitete«, erinnert sich Reid. »Leute seines Formats arbeiten nur mit den allerbesten Musikern zusammen, und die werden dann normalerweise auch als Erste gefragt. [Mick] wollte was anderes hören, er wollte andere Leute hören – er fragte mehrere Typen, wer angesagt war oder etwas Besonderes draufhatte. Doug und Kurt Loder erzählten ihm dann von mir.« Reid war sein Leben lang ein Stones-Fan gewesen. »Es war unbeschreiblich aufregend. Es ist schon irre, wenn man ›Brown Sugar‹ immer im Radio gehört hat und dann steht er auf einmal direkt vor dir. Ich glaube nicht, dass ich irgendwann nervöser gewesen bin. Das war ein Casting im Studio. Eine Menge Leute standen rum und warteten darauf, mit ihm spielen zu dürfen. Im Grunde genommen jammte er nur mit den Leuten. Mit mir spielte er ›Just My Imagination‹ und ›I Heard It Through the Grapevine‹. Ich glaube, er wollte neue Talente entdecken. Auf jeden Fall war er auf der Suche nach jüngern Leuten, abgesehen davon wollte er Leute, die das Ganze mal anders angingen. Er sagte zu mir: ›Ich habe gehört, dass du eine ziemlich coole Band hast. Ich denke, ich komme mal vorbei, und sehe mir das an.‹ Ich konnte nur so was stammeln wie: ›Ach ja, ok.‹«
    Wenn wir heute an Living Colour denken, erinnern wir uns wohl als Erstes an ihre albernen Radlerhosen, worüber wir fast vergessen, was für eine aufregende Band das war, wie hart und zugleich melodisch ihre Songs waren, drei Jahre bevor Nirvana mit demselben Konzept die Welt eroberten. Ihr Sänger Corey Glover, der aggressiv und muskelbepackt wie ein typischer Heavy-Metal-Frontman daherkam, zudem aber lange dünnen Flechten trug, die zu einem dicken Zopf zusammengefasst waren, hatte eine waschechte Gospelstimme, die ein breites Spektrum abdeckte. Reids Shredding auf seiner bunten Gitarre brauchte keine Vergleiche mit Steve Vai oder Eddie Van Halen zu scheuen, und die Rhythmusgruppe – bestehend aus dem Bassisten Doug Wimbish und dem Drummer Muzz Skillings – spielte nicht einfach nur schnelle Funk- und Jazz-Riffs, sondern hatte auch schwere Rhythmen à la Led Zeppelin drauf. 1987 war das CBGB eine Art zweite Heimat der Gruppe. Damals waren sie eine absolute Ausnahmeerscheinung unter den New Yorker Bands. »Wir gingen alle ins CBs, um sie spielen zu sehen«, erinnert sich Alan Light, der ehemalige Chefredakteur von Vibe und Spin (der außerdem einst als Volontär beim Rolling Stone gearbeitet hat). »Hier waren sie einfach phänomenal. Sie hatten die nötige Power und den richten Look, sie haben all die Einflüsse aus dem Hip-Hop und der Kulturszene in New York aufgenommen. Damals hatten sie noch keinen Vertrag, aber es war die Band, über die jeder sprach und die jeder sehen wollte. Auf ihren Konzerten tummelten sich Kritiker und andere Medienleute, und jeder fragte sich, warum diese Jungs noch keinen Plattenvertrag hatten.«
    Mick Jagger schaute immer mal wieder im CBGB rein, seit die Ramones und Richard Hell hier aufgetreten waren. Wenn er in New York war, wollte er immer wissen, was gerade angesagt war. Er war an allem interessiert, ganz gleich ob Disco im Danceteria oder New Wave im Mudd Club – er suchte ständig neue Inspirationen und einen neuen Sound. Eines Abends kam er zusammen mit dem Gitarristen Jeff Beck (eine weitere Blues-Rock-Ikone der 60er-Jahre, mit der Mick sich anfreundete und zusammenarbeitete, während zwischen ihm und Keith Funkstille herrschte) vorbei, um sich einen Auftritt von Living Colour anzusehen. Vernon Reid war zu Ohren gekommen, dass Jagger an diesem Abend da war, doch um die anderen Bandmitglieder nicht unnötig nervös zu machen, hütete er sich davor, ihnen von dem prominenten Gast zu

Weitere Kostenlose Bücher