Mick Jagger: Rebell und Rockstar
schlanken Figur passt. Auch die Frisur ist nicht ganz unproblematisch. Hatte sie in dem Stones-Video zu »One Hit (To the Body)« ein Jahr zuvor noch großartig und üppig ausgesehen, fast wie die Haarpracht von Steven Tyler, so wirkt sie Ende der 80er äußerst befremdlich und erinnert irgendwie an einen Vokuhila. Mick ist immer noch gut in Form, aber während Keith sich mit seinem langsam ergrauenden Schopf und seiner schlaffer werdenden Haut abzufinden scheint, ist es etwas irritierend, Mick beim Älterwerden zuzusehen. Im Jahr 1987, als »Let’s Work« nicht zu dem erhofften Chartbreaker wurde, mauserte sich »Touch of Grey«, ein Song von Micks und Keiths Altersgenossen von den Grateful Dead, die ebenso aufrichtig wie liebevoll von alternden Babyboomern erzählt, überraschend zu einem Radio- und MTV-Hit. Die Greatful Dead verabschiedeten sich von der vermeintlich ewigen Jugend mit einer gewissen Würde; Mick weigerte sich, dies zu tun, und musste mit den Konsequenzen leben.
Bemerkenswerterweise sollte genau der Synergieeffekt, der am Anfang von Micks Solokarriere alles ins Rollen brachte und damit fast das Ende der Stones besiegelt hätte, die Band letztendlich stärken und ihr gegen Ende ihrer »Lost Decade« größere Gewinne bescheren als je zuvor. Im August 1986 schrieb Nick Kent eine Titelstory für Spin , die unter der Headline »It’s Almost All Over Now« das Bild eines grimassierenden Micks mit nacktem Oberkörper aus der Zeit um 1980 zeigt und vom kurz bevorstehenden Ende der Band berichtet. Nachdem Primitive Cool gefloppt war, schwebte Mick Jagger ein weiteres Superstar-Duett im Stil von »State of Shock« vor, um seiner Karriere neuen Auftrieb zu verleihen. Diesmal jedoch entschied er sich für Keith Richards als Duettpartner.
© Michael Putland/Hulton Archives /Getty Images
Keith und Mick am Set für den Dreh des Videos zu One Hit (To the Body) im Mai 1986.
LOOK IN
MY EYES,
WHAT
DO YOU
SEE?
KAPITEL 17
E s bringt jeder Band eine Menge Publicity, im Vorprogramm der Rolling Stones aufzutreten, allerdings ist das oft auch ein ziemlich undankbarer Job. Man frage nur einmal Marty Balin von Jefferson Airplane, der 1969 in Altamont von einem Hell’s Angel eins auf die Nase bekam, oder Prince, der 1981 zwischen George Thorogood and the Destroyers und der J. Geils Band auftrat und mit Flaschen und anderem Müll beworfen wurde, bis er schließlich die Bühne verließ (das gleiche Schicksal ereilte ein Jahr später auf der Europatournee Peter Maffay, den die Stones für die Deutschlandkonzerte neben der J. Geils Band und BAP engagiert hatten). Einige versuchten zwar, den Stones die Schau zu stehlen, wie Lynyrd Skynyrd bei dem riesigen Open-Air-Festival in Knebworth 1976, allerdings mussten so manche dann einsehen, dass vor einem Meer aus Rock’n’Roll-Fans zu spielen, nicht zwangsläufig das reine Vergnügen ist. Die Bands, die die Stones auswählen, um ihr Vorprogramm zu bestreiten, haben es zwar – zu einem gewissen Grad – geschafft, trotzdem können sie es gut gebrauchen, dass man ihnen viel Glück wünscht. In der Regel gewährt man den Vorgruppen fünfzehn Minuten, um sich gemeinsam mit den Stones der Presse zu präsentieren und für ein paar Fotoaufnahmen zu posieren. Und dann muss die Vorgruppe raus auf die Bühne, um für Stimmung zu sorgen, während sich die Halle oder das Stadion langsam füllt. Sie haben keine Pyrotechnik und weder eine Backing-Band noch eine Bläsergruppe, damit der Sound satter wird. Und die PA wird auch noch nicht richtig aufgedreht, sodass sie durchaus nicht bis in die letzten Reihen gut zu hören ist. Dennoch ist dieser Job seit inzwischen über vierzig Jahren heiß begehrt.
Manche Bands werden von den Stones mehr unterstützt als andere; das sind diejenigen, denen auch Zutritt zu ihrem streng geschützten privaten Backstagebereich gewährt wird. Üblicherweise sind das R’n’B-Ikonen wie B. B. King, Ike und Tina Turner (die das Vorprogramm der 69er-Tour bestritten hatten), Buddy Guy oder ZZ Top. In jüngster Zeit haben die Stones vor allem Sheryl Crow und Jack White unter ihre Fittiche genommen. Dennoch hat es unter all den Rolling-Stones-Vorgruppen nur eine Band gegeben, die von ihnen richtiggehend gefördert wurde und außerdem für einigen Medientrubel sorgte – die Rede ist von Living Colour. Man schrieb das Jahr 1989, und die Stones tourten wieder einmal durch die USA, wo der Rassenkonflikt gewiss nicht mehr so virulent war wie 1964, dennoch
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