Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mickey Haller 04 - Der fünfte Zeuge

Mickey Haller 04 - Der fünfte Zeuge

Titel: Mickey Haller 04 - Der fünfte Zeuge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Connelly
Vom Netzwerk:
haben Sie keinen Abschluss gemacht?«
    Ich stand auf und legte Einspruch ein, mit der Begründung, die Fragen der Staatsanwältin gingen weit über Driscolls Antworten bei seiner direkten Befragung hinaus. Doch der Richter entgegnete, diese Tür hätte ich geöffnet, als ich den Zeugen nach seiner Qualifikation und Berufserfahrung auf dem IT-Sektor gefragt hatte. Er forderte Driscoll auf, die Frage zu beantworten.
    »Ich habe keinen Abschluss, weil ich von der Uni geflogen bin.«
    »Weswegen?«
    »Wegen Schummeln. Ich habe mich in den Computer eines Dozenten eingehackt und eine Prüfung runtergeladen, die er am nächsten Tag gehalten hat.«
    Das sagte Driscoll in einem fast gelangweilten Ton. Als wüsste er, dass es an den Tag kommen würde. Ich hatte davon gewusst und ihm gesagt, dass ihm keine andere Wahl bliebe, als absolut ehrlich zu sein, wenn es zur Sprache käme. Andernfalls könnte es übel enden.
    »Dann sind Sie also ein Betrüger und ein Dieb, richtig?«
    »Das war ich, aber das ist über zehn Jahre her. Jetzt betrüge ich nicht mehr. Es gibt nichts mehr, wofür es sich zu betrügen lohnen würde.«
    »Ach ja? Und wie verhält es sich mit Stehlen?«
    »Genauso. Ich stehle nicht.«
    »Stimmt es denn nicht, dass Ihnen bei ALOFT fristlos gekündigt wurde, als sich herausstellte, dass Sie die Firma systematisch bestohlen hatten?«
    »Das ist eine Lüge. Ich habe ihnen gesagt, dass ich kündige, und daraufhin haben sie mich entlassen.«
    »Sind nicht Sie derjenige, der hier lügt?«
    »Nein, ich sage die Wahrheit. Glauben Sie etwa, ich hätte mir das alles nur ausgedacht?«
    Driscoll warf mir einen verzweifelten Blick zu, aber das hätte er lieber nicht tun sollen. Es konnte als Absprache zwischen uns ausgelegt werden. Driscoll war im Zeugenstand ganz auf sich allein gestellt. Ich konnte ihm nicht helfen.
    »Das glaube ich allerdings, Mr. Driscoll«, sagte Freeman. »Stimmt es etwa nicht, dass Sie bei ALOFT eine recht einträgliche eigene kleine Firma laufen hatten?«
    »Nein, das stimmt nicht.«
    Zur Unterstreichung seiner Leugnung schüttelte Driscoll demonstrativ den Kopf. Ich hatte das Gefühl, dass er log, und witterte Ärger. Die Abfindung, dachte ich. Das Jahresgehalt. Sie feuern einen nicht und zahlen einem ein Jahresgehalt als Abfindung, wenn man gestohlen hat. Bring die Abfindung zur Sprache!
    »Haben Sie ALOFT nicht als Tarnadresse benutzt, um auf den Namen der Firma teure Software zu bestellen und dann die Sicherheitscodes zu knacken und Raubkopien übers Internet zu verkaufen?«
    »Das stimmt nicht. Aber mir war von Anfang an klar, dass genau so etwas passieren würde, wenn ich irgendjemandem erzähle, was ich weiß.«
    Diesmal sah er mich nicht nur an. Er deutete auf mich.
    »Ich habe Ihnen gesagt, dass das passieren würde. Ich habe Ihnen gesagt, dass diese Leute …«
    »Mr. Driscoll!«, polterte der Richter los. »Sie beantworten die Frage, die Ihnen die Staatsanwältin stellt. Aber Sie sprechen nicht mit dem Verteidiger oder sonst jemandem.«
    Um den Schwung nicht zu verlieren, setzte Freeman zum Todesstoß an.
    »Euer Ehren, darf ich dem Zeugen ein Dokument zeigen?«
    »Sie dürfen. Wollen Sie es registrieren lassen?«
    »Beweisstück neun der Anklage, Euer Ehren.«
    Sie hatte für alle Kopien mitgebracht. Ich beugte mich zu Aronson hinüber, damit wir es zusammen lesen konnten. Es war eine Kopie eines internen Untersuchungsberichts von ALOFT.
    »Haben Sie davon gewusst?«, flüsterte Aronson.
    »Natürlich nicht«, flüsterte ich meinerseits.
    Ich beugte mich vor, um mich auf den Untersuchungsbericht zu konzentrieren. Ich wollte nicht, dass ein absolutes Greenhorn wegen eines gravierenden Rechercheversäumnisses den Kopf über mich schüttelte.
    »Was ist das für ein Dokument, Mr. Driscoll?«, fragte Freeman.
    »Das weiß ich nicht«, antwortete der Zeuge. »Ich sehe es heute zum ersten Mal.«
    »Es ist die Zusammenfassung eines internen Untersuchungsberichts von ALOFT, oder?«
    »Wenn Sie das sagen.«
    »Auf wann ist dieses Dokument datiert?«
    »Auf den ersten Februar.«
    »Das war Ihr letzter Arbeitstag bei ALOFT, richtig?«
    »Ja. An diesem Tag habe ich meinem Vorgesetzten gesagt, dass ich kündige und in zwei Wochen gehen möchte, und dann haben sie mein Login gesperrt und mich rausgeworfen.«
    »Mit gutem Grund.«
    »Völlig grundlos. Warum, glauben Sie, haben die mir an der Tür diesen dicken Scheck überreicht? Ich wusste zu viel, und sie wollten mich zum Schweigen

Weitere Kostenlose Bücher