Mickey Haller 04 - Der fünfte Zeuge
Mr. Haller?«
Ich richtete mich langsam auf.
»Ja, Euer Ehren, aber ich möchte noch etwas zu Protokoll geben, wenn ich darf.«
»Nur zu.«
»Euer Ehren, die Verteidigung stellt die Wahrhaftigkeit der Behauptung der Anklage in Frage, sie habe erst heute Morgen vom Ergebnis dieser DNA-Analyse erfahren. Vor drei Wochen hat Ms. Freeman meiner Mandantin eine außerordentlich attraktive Einigung im Strafverfahren angeboten und Ms. Trammel vierundzwanzig Stunden Bedenkzeit gegeben. Dann …«
»Euer Ehren?«, meldete sich Freeman zu Wort.
»Unterbrechen Sie nicht«, verfügte der Richter. »Fahren Sie fort, Mr. Haller.«
Ich hatte keine Skrupel, gegen meine Abmachung mit Freeman zu verstoßen, über unsere Verhandlungen über einen Deal Stillschweigen zu bewahren. Inzwischen wurde mit harten Bandagen gekämpft.
»Danke, Euer Ehren. Wie gesagt, wir bekommen am Donnerstagabend ein Angebot von Ms. Freeman, und am Freitagmorgen zieht sie es ohne Angabe von Gründen einfach wieder zurück. Zumindest die Gründe dafür scheinen wir jetzt zu kennen, Euer Ehren. Sie wusste schon damals – vor drei Wochen – von diesem angeblichen DNA-Beweis, aber sie beschloss, das Ganze für sich zu behalten, um die Verteidigung am Vorabend des Prozesses damit zu überrumpeln. Und ich …«
»Danke, Mr. Haller. Was haben Sie dazu zu sagen, Ms. Freeman?«
Ich konnte sehen, wie sich die Haut um die Augen des Richters spannte. Er war aufgebracht. Was ich gerade gesagt hatte, hörte sich glaubhaft an.
»Euer Ehren«, entgegnete Freeman ungehalten. »Nichts könnte der Wahrheit ferner liegen. Ich habe Detective Kurlen dabei, der gern unter Eid bestätigen wird, dass der DNA-Befund übers Wochenende an seine Dienststelle überstellt wurde und er ihn heute Morgen, kurz nachdem er zum Dienst erschienen war, geöffnet hat. Daraufhin hat er mich angerufen, und ich habe das Gericht in Kenntnis gesetzt. Die Staatsanwaltschaft hat nichts zurückgehalten, und ich verwehre mich nachdrücklichst gegen die vom Verteidiger gegen mich persönlich gerichtete Verleumdung.«
Der Richter blickte in Richtung Zuschauerbereich und entdeckte Kurlen, worauf er sich wieder Freeman zuwandte.
»Warum haben Sie das Angebot wenige Stunden nachdem Sie es gemacht haben, wieder zurückgezogen?«, fragte er.
Das war die große Frage. Freeman schien beunruhigt darüber, dass der Richter die Befragung fortsetzen wollte.
»Euer Ehren, diese Entscheidung hatte interne Gründe, die vor Gericht besser nicht zur Sprache kommen sollten.«
»Nur damit das klar ist, Ms. Freeman. Wenn Sie dieses Beweisstück zugelassen bekommen wollen, sollten Sie lieber meine Bedenken ausräumen, interne Gründe hin oder her.«
Freeman nickte.
»Ja, Euer Ehren. Wie Sie wissen, haben wir in der Bezirksstaatsanwaltschaft einen Interimschef, seit Mr. Williams zum U.S. Attorney General’s Office in Washington gewechselt ist. Das hat zur Folge, dass wir nicht immer eindeutige Kommunikations- und Handlungsrichtlinien haben. Dazu sei hier nur so viel gesagt, dass mir an besagtem Donnerstag für das Angebot, das ich Mr. Haller gemacht habe, die Zustimmung eines Vorgesetzten vorlag. Am Freitagmorgen wurde ich dann jedoch von einer höheren Stelle in Kenntnis gesetzt, dass dieses Angebot intern nicht genehmigt würde, und deshalb habe ich es zurückgezogen.«
Das war nichts als Wischiwaschi, aber sie hatte es überzeugend vorgebracht, und ich hatte nichts, um es zu entkräften. Aber als sie mir an besagtem Freitag mitgeteilt hatte, das Angebot sei null und nichtig, hatte ihr Tonfall keinen Zweifel daran gelassen, dass sie etwas Neues, etwas anderes hatte, und ihre Entscheidung war keine Folge interner Diskussionen und Anweisungen gewesen.
Der Richter fällte seine Entscheidung.
»Ich werde die Auswahl der Geschworenen zehn Gerichtstage aufschieben. Das müsste der Verteidigung genügen, eine DNA-Analyse vornehmen zu lassen, so sie sich zu diesem Schritt entscheidet. Es verschafft ihr auch genügend Zeit, die strategischen Anpassungen zu überdenken, die diese neue Information erforderlich macht. Die Staatsanwaltschaft verpflichte ich hiermit, in dieser Angelegenheit uneingeschränkt zu kooperieren und der Verteidigung das biologische Material umgehend zukommen zu lassen. Beide Parteien bitte ich, sich entsprechend vorzubereiten, damit wir in zwei Wochen mit der Auswahl der Geschworenen beginnen können. Die Verhandlung ist beendet.«
Der Richter verließ rasch die Bank. Ich
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