Mickey Haller 04 - Der fünfte Zeuge
konnten organische Stoffe beschädigen. Deshalb wusste ich schon, als wir ins Richterzimmer gingen, dass Freeman eine weitere DNA-Bombe werfen würde.
»Das kann ja sauber werden«, murmelte ich beim Betreten des Richterzimmers.
Der Richter ging hinter seinen Schreibtisch und setzte sich mit dem Rücken zum Fenster, das sich nach Süden auf die Hügel über Sherman Oaks öffnete.
Freeman und ich nahmen nebeneinander vor dem Schreibtisch Platz. Kurlen holte sich von einem Tisch in der Ecke einen Stuhl, und die Protokollführerin saß auf einem Hocker rechts neben dem Richter. Ihre Stenografiermaschine stand auf einem Stativ vor ihr.
»Es wird weiterhin alles zu Protokoll genommen«, erklärte der Richter. »Ms. Freeman?«
»Euer Ehren, ich wollte so bald wie möglich mit Ihnen und dem Verteidiger sprechen, weil ich annehme, dass Mr. Haller erneut in Wehklagen ausbrechen wird, wenn er hört, was ich zu sagen und was ich vorzulegen habe.«
»Dann lassen Sie mal sehen«, sagte Perry.
Freeman nickte Kurlen zu, woraufhin dieser sich daranmachte, das Klebeband von dem Beweismittelumschlag zu entfernen. Ich sagte nichts. Ich sah, dass Kurlens rechte Hand in einem Gummihandschuh steckte.
»Die Anklage ist in den Besitz der Tatwaffe gelangt«, verkündete Freeman nüchtern, »und hat vor, sie als Beweisstück vorzulegen sowie der Verteidigung zur Untersuchung zur Verfügung zu stellen.«
Kurlen öffnete den Umschlag, fasste hinein und zog einen Hammer heraus. Es war ein Klauenhammer mit einem Stahlkopf mit runder Bahn. Er hatte einen lackierten Rotholzstiel mit gummiüberzogenem Griff. Die runde Schlagfläche hatte auf zwölf Uhr eine Kerbe, und ich nahm an, dass sie wahrscheinlich zu den Spuren passte, die bei der Obduktion auf dem Schädel des Opfers gefunden worden waren.
Ich stand wütend auf und machte einen Schritt vom Schreibtisch weg.
»Ach, kommen Sie«, platzte ich aufgebracht heraus. »Wollen Sie mich hier auf den Arm nehmen oder was?«
Ich starrte auf die Bücherwand voller juristischer Fachliteratur, stemmte die Fäuste in die Hüften und drehte mich wieder zum Schreibtisch um.
»Euer Ehren, entschuldigen Sie bitte meine Ausdrucksweise, aber langsam ist das echt zum Kotzen. Sie kann diese Nummer nicht schon wieder bringen. Damit jetzt anzukommen – wie viel, vier Tage nach Beginn der Geschworenenauswahl und einen Tag vor den Eröffnungsplädoyers? Wir haben das Gros der Geschworenen bereits ausgesucht, wir werden möglicherweise schon morgen anfangen, und plötzlich zaubert sie die angebliche Tatwaffe hervor?«
Der Richter lehnte sich zurück, als wollte er sich von dem Hammer, den Kurlen in der Hand hielt, distanzieren.
»Ich hoffe, Sie haben eine gute und überzeugende Erklärung, Ms. Freeman.«
»Allerdings, Euer Ehren. Ich konnte das Beweisstück nicht vor heute Morgen präsentieren und bin gern bereit, Ihnen zu erklären, warum …«
»Sie haben das zugelassen!«, unterbrach ich Freeman und deutete mit dem Finger auf den Richter.
»Entschuldigung, Mr. Haller, aber Sie deuten bitte nicht mit dem Finger auf mich«, konterte der Richter, mühsam um Beherrschung ringend.
»Tut mir leid, Euer Ehren, aber das ist alles nur Ihre Schuld. Sie haben ihr schon diese lächerliche DNA-Ausrede durchgehen lassen. Weshalb sollte sie da noch …«
» Entschuldigen Sie bitte, Sir, aber passen Sie besser auf, was Sie sagen. Sie sind noch etwa fünf Sekunden davon entfernt, meine Arrestzelle von innen kennenzulernen. Sie zeigen weder mit dem Finger auf einen Richter des Superior Court noch reden Sie in einem Ton mit ihm, wie Sie das eben getan haben. Ist das klar?«
Ich drehte mich wieder zu den juristischen Wälzern um und holte tief Luft.
Ich wusste, ich musste etwas aus all dem herausholen. Der Richter musste mir etwas schuldig sein, wenn ich diesen Raum verließ.
»Ja, das ist mir klar«, sagte ich schließlich.
»Gut«, sagte Perry. »Und jetzt kommen Sie wieder her und setzen sich. Hören wir uns an, was Ms. Freeman und Detective Kurlen zu sagen haben, und versuchen Sie bitte nicht, mir irgendwelche Märchen aufzutischen.«
Widerstrebend wie ein bestraftes Kind kehrte ich zurück und ließ mich auf meinen Stuhl plumpsen.
»Ms. Freeman, wir hören.«
»Also, Euer Ehren. Die Waffe wurde uns am Montagnachmittag zugestellt. Ein Gärt…«
»Toll!«, schnaubte ich. »Was sage ich denn? Und dann warten Sie bis vier Tage nach Beginn der Geschworenenauswahl, bis Sie sich endlich dazu
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