Microsklaven
beste Verwendungsmöglichkeit für den (für die Russen) zunehmend blamablen, sich der Verwesung bewußt widersetzenden Leichnam Wladimir I. Lenins einfällt. Die Vorschläge:
SUSAN:
»Ihm einen Smoking anziehen und ihn als Platzfüller bei den Academy Awards einsetzen. Bei der Oscar-Verleihung gibt es immer einen großen Zwinger voller gutaussehender Menschen in Abendkleidern und Smokings, und wenn der Preis für den besten Sound verliehen wird und alle sich in die Empfangshalle flüchten, werden sie als Platzfüller reingeschickt, damit man bei den Kamerafahrten über das Publikum keine leeren Sitze sieht. Wenn Daniel Day-Lewis mal aufs Klo muß, könnten die Kameras auf Sigourney Weaver zoomen, und neben ihr säße ... Lenin!«
DUSTY:
»Die Reagans würden es bestimmt sssuper finden, Lenin in ihr Billardzimmer in Santa Barbara zu stellen. Sie könnten ihn in eine unechte Ritterrüstung stecken (die sie garantiert schon haben), und wenn dann Henry Kissinger vorbeikäme, könnte Nancy sagen: ›Uuh, Henry - was glaubst du, wen wir heute abend zu Besuch haben‹, und sie könnte - quiiietsch — das kleine Visier aufklappen, und dahinter steckte - Lenin!, und alle würden kichern.«
BUG:
»Der Alte ist tot, aber das heißt ja nicht, daß er nicht mehr für Produkte werben kann, oder? Zumindest könnte Benetton ihm einen seiner Pullover anziehen. Das wäre schon mal eine doppelseitige Anzeige. Revlon? Lenny-Baby muß nach all den Jahren zum Fürchten aussehen. Clinique hat doch bestimmt irgendeine nette, verjüngende Schmiere, die sie ihm ins Gesicht klatschen könnten - eine Runderneuerung! Runderneuerungen sind nämlich die offizielle Kunstform der 90er.«
D usty versuchte uns mitten am Nachmittag zu Aerobic zu bewegen, aber sie erntete bloß entsetzte Gesichter ... Sie selber joggt wohl in ihrer Mittagspause nach Oakland oder so. Die Leute in der Bay Area sind ja so extrem. Ethans Beziehung zu seiner Bank sinkt langsam unter den Gefrierpunkt: »Keine Schuldenregulierung!« Ich wette, wenn auf dem Chicagoer Termingeschäftmarkt Plutonium-Termingeschäfte verkauft würden, wäre Ethan sofort Feuer und Flamme.
L ook und Feel und die Hamsterbabys machen jetzt einen ganz schönen Wirbel. Wie sie immer im Büro herumrennen... Das ist, als würden die Wände leben.
W ir haben festgestellt, daß heute drei von uns unabhängig voneinander bei Gap waren - das fanden wir ziemlich unheimlich, und da haben wir Gap analysiert, um uns nicht mehr so sehr als Opfer des Konsumterrors zu fühlen. Susan meint, das Clevere an Gap sei seine Zweigleisigkeit: »Die Kids in irgendeinem Kaff in Nebraska gehen mit Bildern von Manhattan, Claudia Schiffer und der Concorde im Kopf zu Gap, während die Kids in Manhattan mit dem Bild von irgendeinem Kaff in Nebraska im Kopf zu Gap gehen. Mit anderen Worten, Gap-Klamotten versetzen einen an jeden beliebigen Ort, außer dorthin, wo man wirklich ist.« Bug sagte, das Gute an Gap sei, »daß man überall in einen Gap-Laden gehen kann, alles kaufen kann, was dort verkauft wird, und nie befürchten muß, in diesen Klamotten wie ein Depp auszusehen«.
Susan erwiderte, das Problem sei bloß, daß jeder bei Gap einkauft (oder einer Gap-Kopie) und deshalb heutzutage alle gleich aussähen. »Und das ist ein Hammer, denn Vielfalt ist heutzutage ja angeblich das absolut heiße Ding, aber davon ist nichts zu spüren, ganz gleich, wohin man guckt.« Ich meinte, man trage Gap-Klamotten, wenn man den Eindruck erwecken wolle, man käme nirgendwoher; man kann mit diesen Sachen geographische Unterschiede tilgen und sein wie jeder andere von sonstwoher.
Dusty stimmte mir zu und sagte, das sei insofern positiv, als es vage auf sozialdemokratische Ideen verweise und die Illusion einer homogenen Monokultur Gleichgesinnter nähre. »Aber irgendwie ist es auch ein bißchen traurig, denn das heißt, letztendlich reduziert sich Demokratie dadurch darauf, daß man für $34,99 (inklusive Gürtel) die Illusion eines sozialen Zusammenhalts kaufen kann.«
Wir waren uns alle einig, daß Gap-Klamotten nicht nur zeitlich, sondern auch räumlich undefinierbar sind. In Gap-Sachen sieht man nicht nur so aus, als käme man aus dem Nirgendwo, sondern auch, als gehöre man gar nicht unbedingt in die Gegenwart. »Allein diese neue ›Khaki-Träger aus dem Jenseits‹-Kampagne«, sagte Bug. »Indem hier Hosen mit allen möglichen Toten wie Balanchine und Andy Warhol an den Mann gebracht werden, kann sich der
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