Microsoft Word - Christian Jacq - RAMSES3 - Die Schlacht von Kadesch.rtf
viele Auskünfte liefern sollten über das Tun und Lassen seines Vaters und seines Onkels Hattuschili.
Als man ihm mitteilte, letzterer sei zu einer Inspektionsreise in die hethitischem Einfluß unterworfenen Nachbarländer aufgebrochen, war Uriteschup zunächst erstaunt, dann aber fand er es eher beruhigend. Selten verließ der Bruder des Herrschers die Hauptstadt, daher war das jetzt erstaunlich. Doch beruhigend war, daß er bei Abwesenheit auch keinen Schaden anrichten konnte durch seine hinterhältigen Ratschläge, die er den Kaufleuten zukommen ließ.
Uriteschup verabscheute Kaufleute. Wenn er erst Ramses besiegt hätte, würde er Muwatalli verjagen, den Thron besteigen in Hatti, Hattuschili in die Salzgruben verbannen, dessen hochmütige und ränkesüchtige Gattin Puducheba in ein Freudenhaus in der Provinz schicken und die Händler unter Zwang ins Heer eingliedern.
Die Zukunft Hattis war vorgezeichnet: ein Kriegerstaat mit Uriteschup als unbestrittenem Alleinherrscher.
Jetzt schon dem Herrscher zuwiderzuhandeln, der nach so langen Jahren geschickter und unerbittlicher Staatsführung in hohem Ansehen stand, wäre übereilt gewesen. Daher war Uriteschup trotz seiner Hitzköpfigkeit darauf bedacht, Geduld zu zeigen und auf den ersten Fehler zu lauern, den sein Vater beging. Dann müßte Muwatalli in seine Abdankung einwilligen, oder der Sohn wäre gezwungen, ihn zu töten.
Eingehüllt in einen dicken Wollmantel, saß der Herrscher vor dem Kamin, dessen Feuer ihn kaum wärmte. Mit zunehmendem Alter vertrug er die rauhen Winter immer weniger gut, doch das großartige Schauspiel, das die verschneiten Berge boten, wollte er auch nicht missen. Manchmal war er versucht, die Eroberungspolitik aufzugeben, um sich ganz der Gewinnung der Bodenschätze zu widmen, aber diesen Wunschtraum mußte er schnell wieder aufgeben, da das Überleben seines Volkes nur durch Landnahme zu sichern war. Ein erobertes Ägypten wäre ein Füllhorn in seiner Hand, das er, um das Volk zu beruhigen, in der ersten Zeit durch den ehrgeizigen Chenar, Ramses’
älteren Bruder, verwalten lassen würde. Dann aber würde er sich dieses Verräters entledigen und die Beiden Länder hethitischer Verwaltung unterstellen, die jeden Hang zur Auflehnung schnell erstickte.
Die größte Gefahr war sein eigener Sohn Uriteschup. Der Herrscher brauchte ihn, um den Truppen wieder Stärke und Kampfgeist einzubleuen, aber dann mußte er ihn daran hindern, die Ergebnisse eines Triumphs zu seinen eigenen Gunsten auszuschlachten. Uriteschup war ein unerschrockener Krieger, aber Gespür für das Staatswesen und wie man es lenkte, besaß er nicht.
Der Fall Hattuschili lag anders. Der Bruder des Herrschers, obgleich von schwächlicher Gestalt und Gesundheit, besaß Führungseigenschaften, wenn er sich auch lieber im Schatten hielt und seinen tatsächlichen Einfluß vergessen zu machen suchte. Was beabsichtigte er wirklich? Muwatalli konnte sich diese Frage nicht beantworten und begegnete ihm daher mit wachsendem Argwohn.
Hattuschili trat vor den Herrscher.
«Hattest du eine gute Reise, mein Bruder?»
«Die Ergebnisse entsprechen unseren Erwartungen.»
Hattuschili nieste mehrmals.
«Hast du dich erkältet?»
«Die Herbergen, wo wir die Pferde wechseln mußten, waren alle schlecht geheizt, aber meine Gemahlin hat mir schon Glühwein bereitet, und mit heißen Fußbädern werde ich diesem Schnupfen wohl beikommen.»
«Haben unsere Verbündeten dich gut aufgenommen?»
«Mein Besuch hat sie überrascht. Sie fürchteten, ich wäre gekommen, um erhöhte Abgaben einzutreiben.»
«Unsere Vasallen sollen uns ruhig fürchten. Wer nicht genügend Rückgrat beweist, neigt bald zu Ungehorsam.»
«Daher habe ich auch auf die verschiedentlichen Irrungen dieses oder jenes Fürsten deutlich hingewiesen und die Langmut des Herrschers hervorgehoben, bevor ich zum eigentlichen Grund meines Besuches überging.»
«Erpressung ist und bleibt die Geheimwaffe der diplomatischen Kunst, Hattuschili, und mir scheint, daß du sie mit viel Fingerspitzengefühl meisterst.»
«Eine schwierige Kunst, die man niemals vollends beherrscht, deren Auswirkungen sich aber immer als günstig erweisen. All unsere Vasallen, ohne Ausnahme, haben unsere… Einladung angenommen.»
«Das freut mich in höchstem Maße, wie du siehst, lieber Bruder. Wann werden ihre Vorbereitungen abgeschlossen sein?»
«In drei bis vier Monaten.»
«Müssen unbedingt offizielle Schriftstücke abgefaßt
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