Microsoft Word - Eschbach, Andreas - Der letzte seiner Art.doc
Weile bewahren würde, und versteckte ihn, kletterte die Böschung hoch und tat beim Hinaustreten auf die Straße, so, als hätte ich mich gerade im Gebüsch erleichtert.
Niemand nahm Notiz von mir. Ich sah die Mall hinauf und
hinunter, ließ mein ODP arbeiten und schlenderte, als es Entwarnung gab, in Richtung Brennan's Hotel weiter.
Auf einmal hatte ich Angst, zu spät zu kommen. Ich wollte hören, mit wem Reilly telefonierte. Ich wollte mitbekommen, was er zu sagen hatte. Eine grimmige Anspannung erfüllte mich, als ich durch die dunklen Gassen stapfte, vorbei an rissigen Mauern und erleuchteten Fenstern, mit Schritten, die in meinen Ohren klangen, als sei ich meine eigene Armee.
Der Parkplatz hinter Brennan's Hotel lag still und verlassen da. Private Car Parking stand auf einem blauen Schild mit dem Logo des Hotels, und: Guests Only. Ganze zwei Autos nahmen das Angebot des weitläufigen Areals dahinter wahr; ein deutliches Zeichen, wie sehr der Mordfall dem Geschäft geschadet hatte. Die oberste Etage des Hauses war komplett verdunkelt, genau wie die meisten der anderen Fenster.
Reilly pflegt immer dasselbe Zimmer zu nehmen: Zweiter
Stock, Nummer 23, eine Suite mit Blick auf den Hafen. So, wie die Geschäfte des Hotels augenscheinlich gerade gingen, war es sicher kein Problem gewesen, diese Gewohnheit auch bei kurzfristiger Buchung beizubehalten. Jedenfalls brannte Licht 284
in dem Fenster, hinter dem ich ihn und sein Satellitentelefon vermutete.
Ich blieb in der gekiesten Zufahrt stehen. Neben einem der beiden aus schmucklosem Beton gegossenen Torpfosten lag
ein halber, abgebrochener Ziegelstein. Ich hob ihn auf, drehte ihn in der Hand. Ohne Zweifel, das war der Stein, den ich von Itsumis Badezimmer aus nach seinem Mörder geworfen hatte.
Ich schaute an der rückwärtigen Fassade des Hotels hoch, versuchte meine Erinnerung an den Ausblick von jenem
Fenster dort oben mit der Sicht von hier unten in
Übereinstimmung zu bringen, drehte mich um, betrachtete den Weg, auf dem der Fremde hatte flüchten können, weil ich ihn nicht richtig getroffen hatte. Was jetzt nicht mehr zu ändern war. Ich widerstand dem Impuls, den Stein mit der Hand zu zerbröseln, und ließ ihn wieder dorthin fallen, wo er gelegen hatte.
Ein Mann mit Kochmütze und weißer Schürze stand neben
einer Tür auf der Rückseite des Hotels, rauchte eine Zigarette und sah gleichgültig zu mir herüber. Ich blieb stehen, wo ich war, und nahm das Fenster von Reillys Zimmer in
Augenschein. Das Fensterbrett sah gut aus, ein massiver
Steinsims, der dem irischen Wetter seit Jahrhunderten
standhielt. Der Putz schien mir nicht ganz so alt, zudem bröckelte er, das Mauerwerk selbst war vielleicht auch nicht mehr das beste, was vermutlich der Grund dafür war, dass jemand ein paar stählerne Krallen darin verankert hatte, eine davon an einer für meine Zwecke denkbar günstigen Stelle. Ich wartete, bis der Koch mit seiner Zigarette fertig war und wieder hineinging, dann überquerte ich rasch den Platz, spähte noch einmal nach allen Seiten und schnellte, als ich mir sicher war, nicht dabei beobachtet zu werden, mit einem gewaltigen Sprung an der Rückwand von Brennan's Hotel hinauf.
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Ich erwischte das Fensterbrett mit der rechten Hand, krallte mich fest, schwang herum und stemmte den linken Fuß gegen den Mauerhaken. Die rechte Fußspitze fand auch leidlich Halt, und so verharrte ich erst einmal – reglos lauschend, ob ich bemerkt worden war.
Niemand schrie, nirgends wurden Fenster aufgerissen,
niemand, der Freunde und Familie aufgeregt zusammenrief. Es roch nur kräftig nach Küchendünsten und Müll hier oben. Ich zog mich behutsam höher, bis ich über den Fensterrahmen in das Zimmer dahinter spähen konnte.
Es war tatsächlich Reillys Zimmer. Bloß telefonierte er
nicht. Er saß auf der Couch, hatte den Koffer mit der
ausgeklappten Satellitenantenne neben sich stehen und
unterhielt sich mit einem Besucher, der mit dem Rücken zu mir in einem antiken Ohrensessel saß.
Auch nicht uninteressant. Ich ließ mich wieder abwärts
sinken, legte mein technisch verstärktes Ohr gegen die Mauer und drehte den Verstärker auf.
»... die endgültige Entscheidung...«
»...auf keinen Fall zulassen, dass DRAGON BLOOD...«
»... nicht entkommen, auch wenn er ein Cyborg...«
Es war nicht ganz einfach, den Verstärker in Leistung und Frequenzgang so zu justieren, dass ich das Gespräch im
Inneren des Zimmers mithören konnte, ohne durch
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