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Microsoft Word - Eschbach, Andreas - Der letzte seiner Art.doc

Microsoft Word - Eschbach, Andreas - Der letzte seiner Art.doc

Titel: Microsoft Word - Eschbach, Andreas - Der letzte seiner Art.doc Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: SF-Online
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Fortbewegung gefunden hatte, bei der ich mein rechtes Bein steif und unbeweglich halten konnte, sodass die grellen, hell aufflammenden Schmerzen aufhörten, die selbst meine Sedierung durchbrachen, fühlte sich der Oberschenkel mit jeder Stunde, die verstrich, heißer und dicker und brüchiger an.
    Und es verstrichen Stunden, während ich mich den Weg, den ich gekommen war, fast zollweise zurückquälte. Jede
    Mauerüberquerung war eine Marter. Manchmal blieb ich auf den Steinen liegen und fragte mich, was passieren würde, wenn, ich einfach nicht wieder aufstand. Und dann wälzte ich mich doch wieder herum, stemmte mich doch wieder hoch,
    keuchte, schwitzte, schleppte mich weiter, den Mund
    ausgetrocknet, die Kehle wund, schleppte mich weiter auf Wegen aus flüssigem Feuer.
    Sie folgten mir die ganze Zeit. Ab und zu blitzte eine Lampe auf, weit hinter mir, oder ich hörte einen Ruf oder Fluch aus dem weiten Halbkreis, in dem sie mich vor sich hertrieben.
    Oder bildete ich mir das ein? Waren die Lichter Irritationen der Netzhaut oder Fehlschaltungen meiner Implantate, die fernen Stimmen Echos meines eigenen pfeifenden Keuchens
    und Stöhnens?
    Wie auch immer, niemand kam. Ich blieb allein. Als ich die ersten Häuser erreichte, war der Schmerz in meinem Bein einer dumpfen Taubheit gewichen, die ich beunruhigender gefunden hätte als den vorigen Zustand, wenn ich zu derartigen Gefühlen noch imstande gewesen wäre. Über den Bergen im Osten
    begann sich der Himmel in verhaltenem Rosa abzuzeichnen, als ich mich an einem ihrer Autos vorbeiquälte. Zwei Männer 337
    saßen darin. Der hinter dem Steuer schlief, den Kopf in einer fast nach Genickbruch aussehenden Haltung zwischen
    Kopfstütze und Seitenfenster gelegt, der andere hatte etwas in der Hand,
    das wie ein Becher Kaffee aussah, und glotzte mit offen
    stehendem Mund, glotzte mich bloß an wie eine Erscheinung.
    Weiter nichts. Er glotzte, bis ich vorbei war, und was er danach machte, entzieht sich meiner Kenntnis, weil ich aufhörte, ihn zu beachten.
    Ich hatte nicht erwartet, dass es noch eine Steigerung geben könnte, doch auf dem Weg die Mall hinab war mir plötzlich, als müsse ich jeden Augenblick stürzen. Ich wusste genau, dass ich nicht mehr imstande sein würde, noch einmal aufzustehen.
    Jesus hing immer noch am Kreuz und litt auch, nur war er aus Holz und bunt bemalt, während ich aus Fleisch und Stahl
    bestand und vor Dreck stank. Ich stürzte nicht. Ich schlurfte schwer atmend vorbei und stürzte nicht. Da war der
    Kreisverkehr, da meine Straße. Ich war der erste Fitzgerald seit zwei Generationen, der an einen Ort zurückkehrte, den er hatte verlassen wollen.
    Aus dem Haus der Brannigans kam Licht. Ein warmer,
    gelber Schimmer aus einem Fenster, das ich noch nie anders als dunkel gesehen hatte. Ich blieb davor stehen, ohne mir etwas zu denken, erstens weil ich sowieso ausruhen musste, nach jedem zweiten Schritt längst, zweitens aus schlichter, undurchdachter Neugier.
    Es war das Wohnzimmer oder jedenfalls ein Raum, der den
    Brannigans in glücklicheren Tagen als solches gedient haben mag. Heute ist es ein Krankenzimmer. Der Mann der
    Bibliothekarin lag da, eine enorme Konstruktion von Kissen und Matratzenteilen im Rücken, die seinen Oberkörper in
    Schräglage aufrichteten, und er ruderte kraftlos mit den 338
    Händen, das Gesicht blau angelaufen, während seine Frau sich über ihn beugte und an ihm etwas machte, das glaube ich eine Art Absaugen seiner Atemwege war. Neben seinem Bett stand das Beatmungsgerät, ein elfenbeinfarbener Blechkasten mit dicken schwarzen Balgenschläuchen, an das eine blaue und eine weiß lackierte Gasflasche angeschlossen waren, und ab und zu setzte Mrs Brannigan ihm die Atemmaske wieder auf, was ihn lautstark schnaufen und röcheln, seine Gesichtsfarbe aber wieder einigermaßen normalbleich werden ließ. Obwohl sie ernst dreinblickte, wirkte die ganze Prozedur wie ein eingespielter Vorgang, etwas, das im Hause Brannigan seit Jahren tägliche Übung war.
    Ich beobachtete die Szenerie, selber außer Atem, aber so arg wie bei dem armen Mr Brannigan war es dann trotz allem doch nicht. Auf einem Regal über der Tür, so angeordnet, dass er sie gut sehen konnte, standen drei beeindruckend lebhaft wirkende Exemplare seiner Sammlung: zwei Vögel, die sich umsahen
    und regelrecht erschrocken schienen, eine sprungbereite Katze hinter sich zu entdecken. Ich betrachtete den siechen Mann und musste daran denken, was seine Frau mir vor

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