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Microsoft Word - Eschbach, Andreas - Der letzte seiner Art.doc

Microsoft Word - Eschbach, Andreas - Der letzte seiner Art.doc

Titel: Microsoft Word - Eschbach, Andreas - Der letzte seiner Art.doc Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: SF-Online
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in Dingle angekommen war und noch
    glaubte, ich dürfte mir keine Sehenswürdigkeit entgehen
    lassen. Auf meiner ersten und einzigen Bootsfahrt sah ich keinen Delfin, und der Bootsführer versicherte mir, während er mir das Geld zurückgab – irische Pfund damals noch –, das sei äußerst ungewöhnlich. Gerade so, als hätte ich den Schaden gehabt und nicht er. Genau gesagt bin ich mir alles andere als sicher, dass Fungie noch lebt; der Delfin tummelt sich seit den frühen Achtzigern in der Bucht, habe ich gelesen. Wie alt werden Delfine eigentlich? Keine Ahnung. Die Boote
    jedenfalls fahren nach wie vor; ich sehe sie jeden Tag.
    Zwischen all den Leuten also stolperte mein Verfolger
    umher, schwenkte das Foto, stellte seine Fragen. Es dauerte peinlich lange, bis er begriff, dass es nur Touristen waren, die er befragte. Er blieb stehen, starrte die Busse an, machte merkwürdig zuckende Bewegungen mit der linken Hand und
    schüttelte in einem fort den Kopf.
    Später sah ich ihn immer noch am Hafen, auf einer Bank
    sitzend und völlig erledigt aussehend. Wie er da hockte und stumpf auf die Bucht hinaussah, wirkte er eher rührend als gefährlich. Als müsste man auf ihn aufpassen, anstatt vor ihm zu fliehen.
    Übrigens ist Irland nie von den Römern erobert worden. Fällt mir nur gerade ein. Die Iren legen viel Wert auf diese Tatsache.
    Am Sonntag stand ich auf wie immer. Erst im Bad fiel mir ein, dass das Erwachen auch ganz anders hätte sein können. Ich grinste mein Spiegelbild an und untersuchte die Wunde. Sie sah gut aus. Ich beschloss, den Verband noch einen Tag
    dranzulassen.
    In den ersten Jahren meines Rentnerlebens habe ich die
    Unsitte einreißen lassen, bis ewig in den Tag hinein zu
    schlafen. Bis ich merkte, dass einem das nicht gut tut. Man 56
    wünscht es sich immer, wenn man in ein Leben eingebunden ist, in dem einen jeden Morgen ein Wecker unbarmherzig aus dem Schlaf reißt, aber wehe man bekommt es: Im Nu wird man depressiv
    und hängt herum wie ein nasses Handtuch, zu nichts mehr
    imstande. Daraufhin habe ich den alten Wecker meiner
    Großmutter wieder hervorgeholt und mir einen geradezu
    militärischen Tagesrhythmus angewöhnt, so gut, dass ich selbst ohne Uhr morgens um halb acht erwache. Was ja eine zivile Zeit ist, davon abgesehen. Aber gerade wenn man sonst keine Pflichten hat, braucht man Regelmäßigkeit. Regelmäßigkeit schafft Struktur, und Struktur ist es, die einen letztendlich trägt.
    Ich öffnete eine der Dosen, verrührte den Inhalt mit einem Rest Marmelade und etwas Zucker und, nun ja, nahm es zu mir.
    (Es widerstrebt mir, das Wort essen in diesem Zusammenhang zu verwenden.) Dann machte ich mich zu meinem
    sonntagmorgendlichen Strandspaziergang auf. Als wenn nichts gewesen wäre. Als hätte ich mich nicht den halben Samstag vor einem unbekannten Fremden versteckt.
    Auf einem dieser Spaziergänge habe ich vor langer Zeit
    entdeckt, dass ich nicht der einzige Mensch in Dingle bin, der am Sonntagmorgen der Kirche fernbleibt. Wobei ich mich,
    falls mir jemand Vorhaltungen deswegen gemacht hätte, damit herausgeredet hätte, dass ich, obzwar mein Vater
    selbstverständlich ein guter irischer Katholik gewesen ist, auf Wunsch und Geheiß meiner Mutter dem Protestantismus
    anheim gegeben wurde, und eine hierzu passende Kirche gibt es natürlich weit und breit nicht. Glaube ich jedenfalls, ich habe nie danach gesucht. Und natürlich hat mir auch nie
    jemand Vorhaltungen gemacht.
    Jedenfalls, ausgerechnet Bridget nimmt sich ebenfalls am Sonntagmorgen Zeit frei, um dem einzigen Hobby zu frönen, 57
    das ich bisher bei ihr entdeckt habe: sie fotografiert. Und zwar mit Vorliebe die alten Wracks, die an den Stränden verrotten und verrosten und dabei äußerst malerisch aussehen.
    Es war schön, sonnig und klar. Ich kann nicht zu dicht am Strand gehen, weil ich aufgrund meines Gewichts zu tief
    einsinken würde, aber ich folge der Wasserlinie, gehe
    querfeldein und halte Ausschau, und was an Distanz bleibt, überwinde ich spielend mit Hilfe meines rechten Auges. An dieser Stelle ist vielleicht erwähnenswert, dass man mich mit einem Teleskopblick ausgestattet hat, auf den Superman neidisch wäre. Mein künstliches Auge ist eine
    Hochleistungskamera mit Zoomobjektiv und, ganz wichtig,
    digitalem Wackelausgleich. Ich kann quer übers Hafenbecken hinweg die Zeitungen am Kiosk lesen, nicht nur die großen Schlagzeilen, sondern auch die Untertitel. Und
    selbstverständlich ist ein

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