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Microsoft Word - Eschbach, Andreas - Der letzte seiner Art.doc

Microsoft Word - Eschbach, Andreas - Der letzte seiner Art.doc

Titel: Microsoft Word - Eschbach, Andreas - Der letzte seiner Art.doc Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: SF-Online
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Gelegenheiten stumm und bedrückt am
    Küchentisch sitzen und vor sich hin starren, einen großen, traurigen Mann, der oft sagte, »Man muss seine Pflicht tun«, wahrscheinlich, weil er sie manchmal lieber nicht getan hätte.
    Und ich höre meine Mutter, wie sie auf ihn einredet, fordert, ihm Vorhaltungen macht mit einer Stimme wie eine Drahtsäge, scharf, kalt und ohne Erbarmen. Sie hat ihn und mich
    verlassen, als ich sieben war, und danach ließ zumindest der Schmerz nach.
    Seneca wurde in Rom ausgebildet, bereiste als junger Mann Ägypten und machte unter den Kaisern Augustus und Tiberius 63
    steile Karriere, bis Caligula ihn zum Rückzug zwang. Da war er schon wohlhabend und berühmt, verheiratet und Vater
    zweier Söhne.
    Ganz anders Duane Fitzgerald. Ich bin in die nächstgelegene Schule gegangen und habe mich einigermaßen durchgebissen, in den späteren Jahren kam mir zugute, dass mein Körper sich enorm entwickelte, sodass ich schlechte Noten mit Sport
    ausgleichen konnte, und in den Cliquen, mit denen ich
    umherzog, war ich immer kräftig mit dabei, wenn es darum ging, die Stadt aufzumischen. Unter Präsident Reagan bin ich in die Armee eingetreten, um keinerlei Karriere zu machen, wenn irgendwo etwas los war – Grenada oder dergleichen –
    war ich todsicher an dem Ort stationiert, der am weitesten davon entfernt lag. Von meinem Sold schickte ich ein bisschen an meinen Vater, der Rest ging an örtliche Brauereien, und was Frauen anbelangt, bin ich nie über belanglose Techtelmechtel hinausgekommen Ich meine, ich war damals einer von diesen verboten gut aussehenden Burschen, die jederzeit ein Mädchen für eine Nacht bekommen können, in meiner Uniform sowieso, bloß dass die Mädchen, die man so bekommt, nicht die sind, mit denen es was Ernsthaftes werden konnte. Und weil die Masche so gut funktioniert hat, habe ich nie herausgefunden, wie man diese anderen Mädchen findet.
    Seneca wurde später der Lehrer des jungen Nero, und in
    dessen ersten fünf Regierungsjahren war praktisch er es, der das Römische Reich regierte, das von Britannien bis
    Vorderasien reichte und ganz Nordafrika umfasste. Dass er das vorbildlich tat, half ihm nichts, weil Nero sich als Psychopath entpuppte und immer mehr durchdrehte. Am Ende verdächtigte er Seneca, sich an einer Verschwörung gegen ihn beteiligt zu haben, und damit war es um den Philosophen geschehen.
    64
    Ich klappte das Buch zu und glotzte eine Weile vor mich hin, während sich ein Gedanke in mir formte. Freundschaft. Das hatte nichts mit dem zu tun, was ich gerade gelesen hatte, sondern war aus dem Nichts in mir hochgeploppt. Vielleicht nicht zufällig, Seneca hat viel zum Thema Freundschaft gesagt.
    Wir sind am Ende zu fünft gewesen in unserer Gruppe –
    wobei ich nicht sicher weiß, ob es noch andere Gruppen
    gegeben hat Ich hatte immer den Eindruck, dass wir Pioniere waren, aber bestätigt hat man uns das niemals. Nach dem Ende des Projekts hat man uns verboten, miteinander Kontakt
    aufzunehmen. Was ziemlich hart war, weil wir dadurch
    niemanden mehr hatten, mit dem wir über alles reden konnten, mit Ausnahme von Lieutnant Colonel Reilly. Und Lieutnant Colonel Reilly ist nicht der Mensch, mit dem man über alles reden mochte.
    Aber ich habe mich daran gehalten Vor ein paar Jahren sind mir die aktuellen Telefonnummern und Adressen der anderen zugespielt worden, ich habe sie aufbewahrt, zugegeben, aber nie Gebrauch davon gemacht. Ich war nicht einmal in
    Versuchung. Wenn die Einhaltung einer Vorschrift so leicht überwachbar ist wie diese, dann halte ich mich im Zweifelsfall daran.
    Ich starrte immer noch vor mich hin. Die fahlgrauen
    Vorhänge schufen ein Dämmerlicht zum Gespenstersehen.
    Freundschaft. Dazu fiel mir von den anderen nur Gabriel
    Whitewater ein. Wir sind schon befreundet gewesen, ehe wir zum Programm kamen. Er hatte kurz vorher seine Familie
    verloren, durch einen nie geklärten, scheußlichen Mord, verübt von einer Drogenbande, die sich in der Adresse vertan hatte.
    Da meine Eltern ebenfalls gerade gestorben waren – kurz
    hintereinander, meine Mutter an einem Herzanfall, mein Vater 65
    während eines großen Hotelbrandes –, hatten wir etwas
    gemeinsam gehabt.
    Nach über zehn Jahren, stellte ich fest, fühlte sich das Verbot, miteinander zu reden, nicht mehr ganz so ernst gemeint an.
    Gabriel lebt in Kalifornien, in Santa Barbara. Ich sah auf die Uhr. Kurz vor vier Uhr, das hieß, an der Pazifikkuste war es kurz vor acht Uhr morgens.

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