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Microsoft Word - Eschbach, Andreas - Der letzte seiner Art.doc

Microsoft Word - Eschbach, Andreas - Der letzte seiner Art.doc

Titel: Microsoft Word - Eschbach, Andreas - Der letzte seiner Art.doc Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: SF-Online
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prüfte die Möglichkeiten, ungesehen zu entkommen, und fand jede davon riskant. Mit etwas Glück waren ihre Augen schlecht genug, dass ihr entging, dass ich Slipper trug.
    Mein Verfolger kramte umständlich ein Blatt Papier hervor, das er studierte, ab und zu einen suchenden Blick
    umherwerfend, auf Straßenschilder und dergleichen.
    »Weg da!«, zischte es hinter mir. Die Alte fuchtelte mit einer ihrer Tüten. Ich drückte mich diensteifrig dichter an den Wagen, um ihr Platz zu machen. Sie schob sich an mir vorbei, bedachte mich mit einem letzten mörderischen Blick von oben herab – so klein, wie sie war, hatte sie zu so etwas
    wahrscheinlich selten Gelegenheit – und setzte ihren Weg dann unbeeindruckt fort.
    Der Mann mit der Sturmfrisur und der kotzefarbenen Jacke hatte nichts davon bemerkt, sondern einen Entschluss gefasst.
    Er faltete sein Blatt wieder zusammen, stopfte es in eine seiner zahllosen Taschen zurück und wandte sich entschlossen nach Osten, dem Ortsausgang entgegen Ich fragte mich, was er dort suchen mochte, sogar von hier aus konnte man sehen, dass Dingle in dieser Richtung außer einer Tankstelle, ein paar Häusern und einem Hotel nichts mehr zu bieten hat. Danach kamen bloß noch zwei Meilen Feldweg bis zum nächsten Ort, Ballintaggart.
    Aber ich fragte mich das nur kurz. Im Moment war es mir
    egal. Ich wartete, bis er einigermaßen weit weg war – er sah sich kein einziges Mal um –, dann eilte ich über die Kreuzung 61
    und machte, dass ich nach Hause kam. Und ich sah mich um, alle drei Schritte ungefähr.
    Jemand schien mein Haus an einen Platz viel weiter hinten in der Straße gerückt zu haben, aber ich erreichte es trotzdem unentdeckt. Niemand, der aus einer dunklen Ecke sprang und
    »Hab ich Sie, Mister Fitzgerald!«, rief. Ich sah hastig in meinen Briefkasten, nichts. Vielleicht hatte er meine Adresse ja doch nicht. An meiner Türklingel steht wohlweislich immer noch der Name der vorigen Bewohnerin, Helen Magilly. Ich atmete erst aus, als ich die Haustür hinter mir zugezogen und verschlossen hatte, und danach zog ich sowohl im
    Wohnzimmer als auch in der Küche die Vorhänge zu. Helen
    Magilly war heute nicht zu sprechen.
    Nachher saß ich im dämmrigen Halbdunkel und fragte mich, was das alles zu bedeuten haben mochte und wie lange es in dieser Art eigentlich weitergehen sollte. Das fragte ich mich ungefähr eine Stunde lang, ohne eine Antwort zu finden, die mich befriedigte. Zum ersten Mal seit langer Zeit wünschte ich mir wieder, zu einer Whiskyflasche greifen und die Mühlräder in meinem Kopf damit zum Stillstand bringen zu können.
    Stattdessen knipste ich das kleinste Licht an, das ich habe, eine altersschwache Stehlampe undefinierbaren Alters, und griff nach Seneca. Ich las ein paar Stellen, an denen er über die Unerschütterlichkeit des Weisen sprach, seine innere Harmonie und dass er sich selbst genug sei, weder durch Ungerechtigkeit noch durch Schmach zu erschüttern, und blätterte, als ich eingesehen hatte, wie weit ich von wahrer Weisheit entfernt war, zum Anhang, der Senecas Leben beschrieb, um
    herauszufinden, was ihn von mir unterscheidet.
    Lucius Annaeus Seneca wurde in Spanien geboren, in
    Corduba, im Jahr 4 vor der Zeitrechnung, als Sohn eines
    wohlhabenden und berühmten Rhetoriklehrers. Ich hatte diesen 62
    Anhang schon mehrfach gelesen, aber an diesem
    Sonntagnachmittag las ich zum ersten Mal und nicht ohne
    Schaudern, dass Senecas älterer Bruder Galho sogar
    namentlich in der Bibel erwähnt wird, in der
    Apostelgeschichte.
    Duane William Fitzgerald dagegen wurde in Boston
    geboren, im Jahr 1965 nach der Zeitrechnung, als einziger Sohn eines eher nicht so wohlhabenden, schweigsamen
    Feuerwehrmannes, der sich, dann einem altehrwürdigen
    Brauch folgend, mit Erreichen der Volljährigkeit aus Irland in die Neue Welt abgesetzt hatte, um dort sein Glück zu machen.
    Er glaubte es gefunden zu haben, als er auf einem
    Feuerwehrfest in Boston meine Mutter kennen lernte, eine Bürogehilfin aus Londonderry, New Hampshire, aber das
    erwies sich als Irrtum. Wenn ich das Datum meiner Geburt mit dem der Eheschließung meiner Eltern vergleiche, muss an
    jenem Abend auf dem Feuerwehrfest weit mehr geschehen sein als der Austausch von Komplimenten und Telefonnummern.
    Jedenfalls heirateten sie, aber ihre Ehe war alles andere als gut, wenn ich an meine Kindheit zurückdenke, kommt es mir so
    vor, als hätten sie ohne Unterlass gestritten. Ich sehe meinen Vater bei zahllosen

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