Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Microsoft Word - Eschbach, Andreas - Der letzte seiner Art.doc

Microsoft Word - Eschbach, Andreas - Der letzte seiner Art.doc

Titel: Microsoft Word - Eschbach, Andreas - Der letzte seiner Art.doc Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: SF-Online
Vom Netzwerk:
gegenüberzusitzen und einen Drink von ihr serviert zu bekommen, durfte aber in diesem
    Zusammenhang natürlich nicht die geringste Rolle spielen.
    Sagte ich mir.
    »Ich bin nur ein Soldat in Frührente«, meinte ich lahm.
    »Sie sind das Opfer eines gewissenlosen Experiments«,
    widersprach der Mann, der sich Harold Itsumi nannte. »Sie sind das Opfer verbrecherischer Machenschaften.«
    »Sagt ausgerechnet ein Anwalt.« Ich musste mich
    konzentrieren. Mit keiner Silbe durfte ich irgendetwas von dem, was er sagte, bestätigen. Im Grunde hätte ich ihn auf der Stelle stehen lassen, nach Hause gehen und bei Reilly Alarm schlagen müssen.
    Und dann gleich mit Kofferpacken anfangen können.
    Dieser Mann war auf dem besten Weg, mein Leben zu
    ruinieren.
    »Wenn wir mit den Beweisen, die ich habe, und Ihrer
    Aussage vor Gericht gehen, müsste die Regierung schon
    Richter bestechen und Zeugen ermorden, um noch einmal
    davonzukommen«, prophezeite er mit beklemmender
    Zuversicht. Er hob beschwörend die Hände. »Alles, was ich will, Mister Fitzgerald, ist, dass Sie sich die Papiere anschauen.
    Wenn Sie die Sache danach auf sich beruhen lassen wollen – in Ordnung. Dann zahle ich einfach Ihre Drinks und belästige Sie nicht weiter.«
    Alles wusste er offenbar doch nicht über mich, sonst wäre ihm klar gewesen, dass ich mit einem Drink ohnehin nichts anfangen konnte.
    85
    »Na schön, ich komme mit«, sagte ich. Im Interesse der
    nationalen Sicherheit musste ich mehr über diesen Mann und seine Quellen in Erfahrung bringen. Sagte ich mir. »Aber ich warne Sie gleich, Sie verschwenden Ihre Zeit.«
    »Warten Sie, bis Sie die Dokumente gesehen haben«, meinte Itsumi siegessicher.
    86
    So wisse: Es wird nichts auf der Stelle bleiben, wo es jetzt steht, die Zeit wird alles niederwerfen und mit sich raffen. Und nicht allein die Menschen werden ihr zum Spielball dienen –
    s ind sie doch nur ein ganz geringes Teilchen von dem, was in der Macht des Zufalls steht –, nein, auch Landschaften, Länder, Kontinente.
    Seneca, AD MARCIAM

6
    Was in seinen Dokumenten stand, interessierte mich nicht die Bohne, das wusste ich schließlich alles selber. Woher er sie hatte, mochte schon interessanter sein. Aber als wir einträchtig die Green Street hochstapften, kreisten meine Gedanken, ich muss es zugeben, mit flatternder Begeisterung um die Frage, ob Bridget im Hotel sein würde, was ich zu ihr sagen sollte, wie ich mich am besten gab. Und was durfte ich bestellen?
    Keinen Drink jedenfalls – der konnte jemanden veranlassen, mit mir anzustoßen und zu erwarten, dass ich Alkohol in mein rudimentäres Verdauungssystem schüttete, in einer Menge, die meine über die Jahre mühsam am Leben gehaltene Darmflora abtöten würde. Nein, besser, ich nahm einen Kaffee. Den
    konnte man endlos umrühren, man konnte so tun, als sei er noch zu heiß, und ihn am Schluss stehen lassen, weil er zu kalt geworden war.
    Solcherlei Gedanken machte ich mir also, während ich neben einem mir unbekannten Mann herging, der auf ungeklärte
    Weise Zugang zum bestgehüteten militärischen Geheimnis des ausgehenden zwanzigsten Jahrhunderts gefunden hatte.
    Vielleicht, kam mir in den Sinn, war es tatsächlich angebracht, ein bisschen was zu tun für das Geld, das mir allmonatlich auf mein Konto überwiesen wurde.
    87
    »Sie haben mir noch nicht gesagt, woher Sie kommen«,
    sagte ich so beiläufig wie möglich.
    Itsumi sprudelte förmlich über vor Auskunftsfreude. »Aus Los Angeles. Das heißt, dort bin ich geboren und
    aufgewachsen, studiert habe ich in Columbia, Missouri, und meine Kanzlei liegt heute in San Francisco«, erklärte er.
    »Und verdient man gut mit Schadensersatzprozessen?«,
    fragte ich und konnte mir nicht verkneifen, hinzuzufügen: »Ich dachte immer, das sei eher die unterste Schublade des
    Rechtswesens.«
    Er wurde rot. »Nein, das verstehen Sie falsch. Ich arbeite in der Hauptsache für verschiedene
    Menschenrechtsorganisationen. Ich setze mich für die Rechte von Minderheiten ein.«
    »Wie mich zum Beispiel. Einen weißen, anglo-irischen
    Protestanten aus Boston, Massachusetts.« Wir kamen in die Main Street. Der Hausmeister der Schule am Eck strich gerade ein paar Stangen des Gitters um den Schulhof und sah bei dem Wort Protestant alarmiert hoch.
    »Ganz ehrlich, Mister Fitzgerald, ich verstehe Sie nicht.«
    Auf einmal zeigte Itsumi in völlig unasiatisch wirkender Weise Gefühle. Und siehe da, es war der Zorn des Gerechten, der ihn beseelte.

Weitere Kostenlose Bücher