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Microsoft Word - Eschbach, Andreas - Der letzte seiner Art.doc

Microsoft Word - Eschbach, Andreas - Der letzte seiner Art.doc

Titel: Microsoft Word - Eschbach, Andreas - Der letzte seiner Art.doc Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: SF-Online
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während sie
    sich an die Zubereitung von Itsumis Cocktail machte. Der zu mehr als der Hälfte aus purem Whiskey bestand, wie ich aus den Augenwinkeln registrierte.
    »Hat er Sie also gefunden«, sagte sie beiläufig, während sie Zitronen halbierte und auspresste.
    Ich sah hoch. »Gefunden?«
    »Mister Itsumi. Er sucht Sie seit Freitag. Ich konnte ihm nur sagen, dass ich Sie öfters in der Nähe des Hotels sehe, aber ich wusste nicht, wie Sie heißen oder wo Sie wohnen.«
    Mir wurde heiß wie von einer ganzen Gallone kochenden
    Kaffees. Sie hatte mich bemerkt. Ich kam mir vor wie ein Halbwüchsiger, der dabei erwischt worden ist, wie er durch ein Astloch in die Umkleidekabine der Mädchen spioniert.
    »Sie haben öfter hier in der Gegend zu tun, nicht wahr?«, meinte sie lächelnd.
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    »Ahm«, machte ich und hätte beinahe aus Verlegenheit den Kaffee hinabgestürzt. Ich konnte mich gerade noch bremsen.
    »Ja, habe ich.«
    »Aber Sie stammen nicht aus Dingle, oder? Ich würde sagen, Sie sind auch Amerikaner.«
    »Ja. Ich... Mein Vater ist hier in der Gegend geboren.« Ich erkannte meine eigene Stimme kaum wieder.
    »Fitzgerald, ach ja. Das ist rings um Dingle früher ein
    häufiger Name gewesen.« Sie sah von ihrem Schneidbrett und ihrer Zitronenpresse hoch und schenkte mir ein rasches
    Lächeln, das ich am liebsten in Gold gefasst hätte. »Ich bin auch nicht von hier. Mich hat es aus Donegal herverschlagen.
    Dort gibt es nicht so viele Hotels, wissen Sie?« Sie widmete sich wieder dem Drink. »Und Sie? Was machen Sie
    beruflich?«
    »Oh. Das ist eine lange Geschichte.« Ich hüstelte, um Zeit zu gewinnen. Ich hatte keine Ahnung, was ich erzählen sollte. Ich sehe nun mal beim besten Willen nicht aus wie ein Rentner.
    In diesem Augenblick fiel der Schuss.
    Für normale Ohren war es einfach ein lautes, knallendes
    Geräusch aus den oberen Stockwerken des Hotels, ein Laut, den man genauso gut für den Knall einer zufallenden Tür
    halten konnte. Aber eine Automatik, von der ich bis zu diesem Tag nicht gewusst hatte, dass sie im Hintergrund meines
    Daseins ständig aktiv war, blendete praktisch im selben
    Moment Daten in mein Blickfeld ein, die unaufgefordert das Ergebnis der Akustikanalyse lieferten: Schuss aus einer halbautomatischen Waffe.
    »Was war das?«, hörte ich Bridget noch sagen, aber das
    gehörte schon einer anderen, unwirklichen Welt an, einer Welt, die hinter mir versank. Beinahe reflexhaft hatte ich in den 92
    Kampfmodus umgeschaltet, spürte das Turboherz anspringen, fühlte Energie heiß glühend durch meinen Körper schießen. Ich schnellte von meinem Sitz, war mit einem einzigen weiten Satz am Durchgang zur Rezeption, raste wie ein Geschoss weiter und die Treppen hoch. Die teuerste Droge der Welt, Alpha-Adrenalin, kreiste in meinen Adern und veränderte meine
    Zeitwahrnehmung, ließ alles ringsum wie in Zeitlupe ablaufen.
    Ich war Speedy Gonzales. Ich war der Rote Blitz. Während der Feind durch Öl watet, während er sich bewegt, als sei die Luft zu zähem Gelee erstarrt, komme ich über ihn wie ein
    Peitschenhieb,
    wie der Zorn eines Gottes, der Blitze schleudert und seine Widersacher mit Felsen zermalmt.
    Ich bewältigte die Treppen in übermenschlich weiten
    Sprüngen und hatte dabei das Gefühl zu schweben. Ohne
    fühlbare Anstrengung raste ich Stockwerk um Stockwerk
    aufwärts. Kraftverstärker in meinen Muskeln, betrieben von atomarer Energie, kontrolliert von bioneuronischen
    Verschaltungen, rasend schnell und unvorstellbar stark,
    schleudern mich vorwärts. Ich bin der Fleisch gewordene
    Albtraum des Feindes. Sollte er überleben – was
    unwahrscheinlich ist –, wird er noch jahrelang nachts
    aufwachen, schreiend und in Schweiß gebadet.
    Das oberste Stockwerk. Hier, hatte Harold Itsumi gesagt, lag sein Zimmer. Das stimmte mit den Ergebnissen der
    Akustikpeilung überein, und das war beunruhigend. Ein letzter Satz, innehalten. Ein kurzer Flur lag vor mir, in dem eine Tür offen stand. In der Tür ein Mann, weiß, etwa sechs Fuß groß, Mitte vierzig, dunkles, kurz geschorenes Haar,
    Erbarmungslosigkeit im Blick.
    Doch als er mich sieht, schreit er auf. Kein Wunder. Seine Ausbilder und seine Erfahrung mögen ihn auf vieles vorbereitet 93
    haben, bestimmt aber nicht auf den Anblick eines Mannes, der unter der Decke hängt wie Spiderman, die bloße Hand ins nackte Mauerwerk gekrallt. Er schreit auf, stolpert rückwärts ins Zimmer zurück und schlägt die Tür zu, als könne ihn das auch

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