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Microsoft Word - Eschbach, Andreas - Der letzte seiner Art.doc

Microsoft Word - Eschbach, Andreas - Der letzte seiner Art.doc

Titel: Microsoft Word - Eschbach, Andreas - Der letzte seiner Art.doc Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: SF-Online
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sehen zu können. Es gab
    Fußabdrücke, deren Spitzen auf das Haus zu gerichtet waren, doch darüber – und heller, also junger – war eine Spur von Schritten, die das Haus verließen.
    Ohne nachzudenken und ohne die leiseste Ahnung, was ich
    sagen würde, falls sie doch zu Hause sein sollte, klingelte ich.
    Vor meinem inneren Auge tauchten Szenen schmerzhafter
    Peinlichkeit auf – Bridget, in einen Morgenmantel gehüllt, die schlaftrunken öffnete und fragte, was ich wolle um diese Zeit, und ich wusste nichts zu entgegnen, für alle Zeiten zur
    lächerlichen Figur werdend –, doch ich klingelte noch einmal, langer, klingelte Sturm. Nichts rührte sich. Sie war nicht zu Hause. Sie war gekommen, um wieder zu gehen.
    Zu einer Freundin, sagte ich mir. Frauen gehen in
    Situationen wie dieser zu Freundinnen. Das wusste ich zwar nur aus Filmen, aber völlig aus der Luft gegriffen konnte das ja auch nicht sein.
    Bis zur Weisheit leben', fordert Seneca. Wer dahin gelangt ist, hat zwar nicht das weiteste, doch er hat das höchste Ziel erlangt. Ich starrte eine Weile unbestimmt vor mich hin und sinnierte über die Frage, ob ich nun Weisheit erlangt haben mochte. Zumindest, was Bridget anbelangte, oder? Oder auch nicht. Vielleicht war ich einfach nur an der Grenze zum
    Delirium angelangt. Ich beschloss, nach Hause zu gehen.
    113
    Dadurch, dass ich die Infrarotsicht aktiviert gehabt hatte, war die automatische Überwachung noch aktiv, sonst hatte ich die beiden Manner vermutlich überhaupt nicht bemerkt. So aber leuchteten ihre Umrisse in meinem Sichtfeld hell auf,
    zusammen mit dem Vermerk SUSPICIOUS BEHAVIOR.
    Diese kühne Einschätzung beruht auf einer bildverarbeitenden Technik, die imstande ist, in einem digitalisierten Bild Gesichter von Menschen ausfindig zu machen, in diesen
    Gesichtern wiederum die Augen, und anhand einer
    Abschätzung der Blickparallaxe festzustellen, ob diese Augen mich beobachten und vor allem, wie lange. Es gibt einen
    kulturell bedingten und in psychologischen Untersuchungen eindeutig messbaren Maximalwert für die Dauer eines
    absichtslosen Blickkontakts, und wenn dieser Wert um mehr als das Doppelte überstiegen wird, schlägt mein ODP, mein observation detection processor, ein knapp pflaumengroßer Computer unterhalb meiner Leber, der mit nichts anderem
    beschäftigt ist als damit, Alarm.
    Der erste Mann stand neben dem Eingang zu O'Leary's Pub und drückte sich, als ich die Main Street herabkam, ein wenig tiefer in den Schatten des Hauseingangs daneben, ohne mich aus den Augen zu lassen. Er war groß, schlank, sauber rasiert und trug die Haare kürzer geschnitten, als es hier zu Lande üblich ist. Ein glattes, ausdrucksloses Gesicht. Ich war einen Moment versucht, es mit Hilfe eines Faustabdrucks etwas
    ausdrucksstärker zu gestalten. Aber ich dachte an Dr. O'Sheas Ratschläge, an meine kunstvoll verbundenen Hände und an die knochentiefe Müdigkeit in mir und ging einfach vorbei. Er folgte mir nicht.
    Der zweite Mann stand an der Bushaltestelle in der Mall, im trüben Schein einer Straßenlaterne, und beobachtete mich doch wahrhaftig über den Rand einer Zeitung hinweg. Wenn er sich 114
    die Mühe gemacht hätte, auch einen Blick auf den Fahrplan zu werfen, hätte er festgestellt, dass der letzte Bus zwei Stunden zuvor gefahren und sein Beobachtungsposten daher alles
    andere als unverdächtig war.
    Was, zum Teufel, ging hier vor? Das fragte ich mich noch, als ich zu Hause anlangte. Aber was auch immer vor sich
    gehen mochte, ich würde ein andermal darüber nachdenken
    müssen. Ich war mit Mühe in der Lage, mir die Zähne zu
    putzen und mich aus meinen Kleidern zu schälen, dann sank ich ins Bett und in einen Abgrund an Schlaf.
    115
    Was ist denn wesentlich im Menschenleben? Nicht dass wir mit unseren Schiffen auf allen Meeren segeln [...] und auf der Suche nach Unerforschtem auf dem Ozeane schweifen (die Erde reicht für unsere Freveltaten schon nicht mehr aus), nein, dass wir unserer Laster Herr geworden sind – es ist kein größerer Sieg. Es gibt Unzählige, die Völker und Städte beherrschen, doch nur sehr wenige haben sich selber
    beherrscht.
    Seneca, NATURALIUM QUAESTIONUM

8
    Das Telefon riss mich aus schweißnasser Betäubung. Es war Reilly.
    »Um Himmels willen, George«, keuchte ich und tappte mit
    dem Hörer in der Hand in die Küche. So weit reicht das Kabel gerade. Ich glotzte die Zeiger der Uhr an, rechnete
    schlaftrunken. »Bei Ihnen muss es doch mitten in der Nacht

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