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Microsoft Word - Eschbach, Andreas - Der letzte seiner Art.doc

Microsoft Word - Eschbach, Andreas - Der letzte seiner Art.doc

Titel: Microsoft Word - Eschbach, Andreas - Der letzte seiner Art.doc Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: SF-Online
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Whitewater war es, der die Hand hob. Ich erinnere mich. Ich erinnere mich auch, wie uns das beeindruckt hat. Er war unser Anführer, unausgesprochen, aber unbestritten.
    Wir saßen um den großen weißen Konferenztisch in dem
    großen weißen Konferenzraum, in dem alle wichtigen
    Angelegenheiten des Projekts besprochen wurden, wir, die stärksten Männer der Welt, die Helden des kommenden
    Jahrhunderts, die Unbesiegbaren, und wir wussten, dass das noch nicht das Ende war, dass es weitergehen würde mit uns und wir noch besser, noch stärker, noch unbesiegbarer werden würden.
    Es war aufregend. Es war besser als Sex. Es war die beste Zeit unseres Lebens.
    Uns gegenüber saßen ein General, breitschultrig, kantiges Gesicht, gutes altes West-Point-Material, und ein Arzt mit der zyanotischen Haut eines starken Rauchers und Augen, die
    immer leicht fiebrig wirkten Der General hielt die Arme
    verschränkt und sagte nichts, begnügte sich damit, uns zu betrachten. Der Arzt musterte uns der Reihe nach und sagte 119
    dann »Sie können Superman inzwischen ganz passabel Konkurrenz machen, habe ich gehört«
    Wir tauschten belustigte Blicke. Am Tag zuvor hatten wir vor der versammelten Ärzteschaft sämtliche Weltrekorde im Weitsprung, Hochsprung und Hammerwerfen gebrochen, und
    wir hatten uns dabei nicht einmal besonders angestrengt.
    »Wer, zum Teufel, ist Superman?«, hüstelte einer von uns.
    Raues Gladiatorenlachen in der Runde.
    »Wir warten eigentlich bloß darauf, dass man endlich unsere genauen Maße nimmt«, feixte ein anderer »Ich meine, es wird echt Zeit, dass wir auch solche geilen hautengen Trikots bekommen.«
    »Mit Cape bitte«, ergänzte ein Dritter »Ich stehe total auf dieses Cape.«
    Der Doktor hob die Hand »Moment Ich sagte >passabel< Für ein Trikot reicht das nicht Von einem Cape ganz zu
    schweigen.« Er wartete, bis er sich unserer uneingeschränkten Aufmerksamkeit sicher war. »Superman hat namlich noch so einiges zu bieten, das Ihnen bisher empfindlich abgeht.«
    »Hitzeblick«, meinte einer.
    »Röntgenblick«, konterte ein anderer.
    »So ähnlich«, räumte der Mann im weißen Kittel ein und
    holte eine kleine Schachtel aus der Tasche, aus blauem, leder geprägtem Karton, fast wie diese Schatullen, in denen
    romantische Helden im Film den Frauen ihrer Traume
    Verlobungsringe offerieren. Er stellte sie vor uns auf den Tisch
    »In der wirklichen Welt reden wir von Teleskopsicht,
    Vergrößerungsblick, Restlichtverstärkung und Infrarotsicht.«
    Er klappte den Deckel auf. Auf roten Samt gebettet, starrte uns ein Auge an.
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    Wir hielten den Atem an.
    Der Doktor nahm es heraus und hielt es hoch. »Eines der
    kompaktesten Hochleistungsgeräte, die je gebaut wurden. Ein Wunder der Technik und Mikrominiaturisierung. Randvoll mit Hightech. Sein Bauplan füllt allein sieben dicke Bände, und unter Brüdern stellt es einen Wert von achtundvierzig
    Millionen Dollar dar. Genau betrachtet ist diese kleine Murmel das teuerste Juwel der Welt.« Er legte das leblos glotzende Ding auf die blanke Tischplatte und versetzte es in rasche Drehung, wie den Kreisel eines Roulettes. »Wer will es
    haben?«
    Wir atmeten immer noch nicht. Wir waren noch nicht fertig damit, zu begreifen, was die Worte des Doktors in der
    Konsequenz zu bedeuten hatten.
    Doch da hörten wir schon Gabriels tiefen Bass. »Ich«, sagte er. Wir wandten die Köpfe und sahen, dass er die Hand
    gehoben hatte, ohne zu zögern.
    Erst viel später fiel mir ein, dass die Iris des Implantats bereits genau dasselbe Schwarz gehabt hatte wie Gabriels Augen.
    Eigenartiges Licht beim Erwachen. Es brauchte eine Weile, bis ich begriff, dass so vom Schlafzimmer aus der Nachmittag aussah. Und noch einmal endlos, bis mir einfiel, dass ich heute zur Post musste. Fütterungszeit für Raubtiere.
    Ich wälzte mich aus dem Bett, schlurfte ins Bad. Nach einer kurzen, wegen der verbundenen Hand umständlichen Dusche
    sah ich nach, wie es unter den Verbänden aussah und
    entschied, dass alles so bleiben konnte. Wenn ich ein Hemd anzog, das den Verband am Unterarm verdeckte, fielen die umwickelten Finger kaum auf. Mit etwas Glück würde
    niemand lästige Fragen stellen.
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    Schlimmer sah mein Gesicht aus. Die Haut unterhalb der
    Augen war übersät mit kleinen schwarzen Körnchen. Sie
    gingen ab, wenn ich daran rieb. Ich betrachtete meine
    Fingerspitzen und begriff, dass es getrocknetes Blut war: Verkrustungen winziger, punktförmiger Blutungen, eine Folge davon, dass

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