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Microsoft Word - Eschbach, Andreas - Der letzte seiner Art.doc

Microsoft Word - Eschbach, Andreas - Der letzte seiner Art.doc

Titel: Microsoft Word - Eschbach, Andreas - Der letzte seiner Art.doc Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: SF-Online
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erklärte, warum man Bridget immer alleine sah.
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    Mein Blick fiel auf eine angefangene Strickarbeit aus weißer Wolle in einem der Körbe darunter. Ein kleiner, halb fertiger Strampelanzug, wie ich feststellte, als ich ihn hochhob. Jetzt erst bemerkte ich, dass Bridget auf dem Hochzeitsbild
    schwanger war. Ich starrte den Strampler an, dem noch der rechte Ärmel und ein Teil des Rückens fehlte, und hatte das überwältigende Gefühl, dass mir dieses winzige
    Kleidungsstück eine Geschichte zu erzählen versuchte. Eine Geschichte, die ich bloß nicht verstand. Bridget war schwanger gewesen – wo war das Kind?
    Ich legte die unvollendete Handarbeit zurück und beschloss zu gehen. Es war sinnlos, was ich hier tat. Ich hatte hier nichts verloren. Ich schnüffelte im Leben dieser Frau herum, ohne jede Berechtigung, einen Notfall auf verachtenswerte Weise ausnutzend.
    Ich beugte mich über das Bett, um die Nachttischlampe
    wieder auszuschalten. Aus den Laken stieg ein Geruch nach Weiblichkeit auf, unerwartet und intensiv. Ich fuhr hoch und verharrte zitternd in der Dunkelheit, unfähig, mich zu bewegen.
    Ich sah die Dunkelheit auch nicht, ich sah Gesichter. Gesichter, die ich vergessen zu haben glaubte. Nichts vermag einem
    Erinnerung so überwältigend stark zurückzurufen wie Gerüche.
    Die Männer, die mich zu dem gemacht haben, was ich heute bin... ich weiß nicht, was sie getrieben hat, mich – und was das betrifft, nur mich; es war nicht Teil des Projekts – mit jenem besonderen Implantat auszustatten. Am Schluss hat ohnehin jeder gemacht, was ihm einfiel. Vielleicht wollten sie mir etwas Gutes tun. Aber vielleicht haben sie während der
    Operation auch nur dreckige Witze gerissen und sich auf die Schenkel geklopft vor Lachen. Und vor Neid.
    Dank dieses experimentellen Implantats bin ich der einzige Mann in der Geschichte der Menschheit, der vollkommene
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    Kontrolle über sein Geschlechtsorgan besitzt. Unabhängig von jeder Stimmung und Verfassung brauchte ich nur einen meiner bionischen Schalter zu betätigen, um eine Erektion zu
    bekommen, die so hart ist und so lange anhält, wie ich es wünsche. Stundenlang, wenn ich das wollte.
    Dummerweise scheinen sie vergessen zu haben, dass ich
    mehr als dreihundert Pfund schwer bin und so stark wie ein Bagger, und dass ich im Augenblick eines Orgasmus die
    Kontrolle über all das verlieren würde. Eine Frau, die mit mir schliefe, wäre in akuter Lebensgefahr.
    Ich mag eine Fähigkeit besitzen, um die mich alle Männer beneiden, aber ich habe noch nie davon Gebrauch gemacht.
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    Nun aber bringt doch den allergrößten Verlust an Lebenszeit das Hinausschieben mit sich. Man lässt gerade den
    bestehenden Tag verstreichen und bestiehlt die Gegenwart, weil man sich auf das Späterkommende vertröstet. Das größte Hindernis des Lebens ist die Erwartung, die sich auf den nächsten Tag richtet. Du verlierst dadurch das Heute.
    Seneca, DE BREVITATE VITAE

10
    Am nächsten Morgen klingelte es an meiner Tür. Ich erwachte, blickte stirnrunzelnd an die Decke und fragte mich, wer etwas von mir wollen könnte. Noch ehe ich auf irgendeine Idee
    gekommen war, klingelte es wieder, länger und drängender diesmal, und jemand rief: »Mister Fitzgerald?«
    Die Stimme kam mir vage bekannt vor, wenngleich ich sie in dem Moment nicht einordnen konnte. Ich wälzte mich aus dem Bett und zerrte meinen Morgenmantel unter einem Stapel
    schmutziger Wäsche hervor. Einer der Ärmel war nach innen gestülpt, und noch ehe ich alles zurechtgezogen hatte, fing es an der Tür an zu klopfen. »Polizei! Machen Sie auf!«
    Jetzt erkannte ich die Stimme wieder. Der Sergeant, der uns nach dem Mord an Harold Itsumi vernommen hatte. Wright
    oder so. Ich rief »Ja, ja«, schlurfte vernehmlich zur Tür und öffnete.
    Er war es. In einem Mantel, der so grau war wie seine Haare, stand er vornübergebeugt da und studierte das Namensschild an meiner Klingel. Hinter ihm warteten zwei finster
    dreinblickende Polizisten in Uniform und ein Auto, dessen Fahrer sich die Mühe gemacht hatte, es die hundert Yard von der letzten Stelle, an der man in unserer Straße ein Auto wenden kann, rückwärts bis vor mein Haus zu manövrieren.
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    Der Sergeant richtete sich auf »Wer ist Helen Magilly?«
    »Die Frau, die vor mir hier gewohnt hat«, sagte ich.
    »Einen Moment dachte ich, Sie hatten mir die falsche
    Adresse genannt«
    »Ich bin noch nicht dazu gekommen, das Schild
    auszutauschen.«
    »Tja«, sagte er »Kann

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