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Microsoft Word - Eschbach, Andreas - Der letzte seiner Art.doc

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Titel: Microsoft Word - Eschbach, Andreas - Der letzte seiner Art.doc Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: SF-Online
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    vergessen haben muss zurückzugeben. Ich suchte sorgfältig nach der geeigneten Stelle, sie zum Einsatz zu bringen.
    Häuser sind in Irland selten mit einer Terrasse ausgestattet, weil das Wetter die meiste Zeit entweder zu regnerisch oder zu windig ist, als dass man etwas damit anfangen könnte. Was es aber in der Regel gibt, ist eine zweite Tür auf der Rückseite des Hauses; meistens führt sie aus der Küche ins Freie, in den Gemüsegarten oder auf einen gekiesten Hinterhof. Eine solche Tür hatte auch Bridgets Haus, und davor ein gekiestes Stück Weg, auf dem ein Mülleimer und eine große Topfpflanze
    einträchtig nebeneinander standen. Sie sah unproblematisch aus, diese Tür. Wobei die Frage nicht war, ob ich
    hineinkommen würde – das würde ich auf jeden Fall; ich spürte sogar anflugsweise Lust, wieder mit Wucht durch eine solide Wand zu brechen –, sondern, ob ich hineinkommen würde,
    ohne Spuren zu hinterlassen.
    Ich huschte über den mageren Rasen und die überwucherten Reste von Gemüsebeeten, ging vor der Tür in die Hocke und fuhr mit der rechten Hand langsam am Türstock entlang, auf die Wahrnehmungen eines Geräts lauschend, das im äußersten Glied meines Ringfingers sitzt und ursprünglich dazu gedacht war, Zündstromkreise von Minenfallen aufzuspüren. Es eignet sich natürlich genauso gut zum Aufspüren einer Alarmanlage.
    Die es hier nicht gab. Ich zückte eines meiner raffinierten kleinen Werkzeuge, machte mich über das Schloss her und war Sekunden später drinnen.
    Es war die Küche, und es roch seltsam – ranzig,
    abgestanden, zugleich süßlich-fruchtig und modrig. Es hätte nicht geschadet, gründlich zu lüften, aber ich zog die Tür trotzdem leise hinter mir ins Schloss und sah mich um,
    natürlich ohne Licht zu machen. In der Spüle stand ungespültes Geschirr, Tassen, Teller, ein Topf. Ich schaltete die
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    Restlichtverstärkung kurzzeitig aus und warf einen Blick in den Kühlschrank. Eine angebrochene Flasche Milch, und auf einem kleinen Tablett trockneten ein paar Scheiben Wurst vor sich hin. Das sah alles nicht so aus, als hätte hier jemand eine von langer Hand vorbereitete Reise angetreten. Ich schloss die Kühlschranktür, sah mich weiter um. Den Mülleimer unter der Spüle zu inspizieren erforderte den kurzen Einsatz der
    Stablampe, und danach war mir zumindest klar, woher all diese Gerüche kamen.
    Ich setzte meinen Weg fort, ins Wohnzimmer. Ich wusste
    nicht genau, was ich suchte. Irgendeinen Hinweis. Spuren eines Kampfes, vielleicht. Aber das behaglich eingerichtete
    Wohnzimmer sah aufgeräumt aus. Ein Sofa mit ein paar
    zerknautschten Kissen. Ein Fernseher, der noch auf Standby geschaltet war. Ein Regal mit Büchern, Grünpflanzen und einer Sammlung kleiner Tonvasen. Ich fragte mich, ob die Polizei schon im Haus gewesen war oder sich damit begnügt hatte, Nachbarn und Bekannte zu befragen. Im infraroten Bereich war jedenfalls alles dunkel und nicht mehr die geringste Spur übrig.
    Unter der ins Obergeschoss führenden Treppe stand ein
    kleiner Sekretär, auf dem sich Briefe und andere Unterlagen stapelten. Der Platz lag so geschützt, dass ich die Lampe ein wenig länger benutzen konnte, ohne Gefahr zu laufen, von draußen bemerkt zu werden, aber ich entdeckte nur die in einem Haushalt üblichen Rechnungen, nichts, was
    ungewöhnlich gewesen wäre. Doch etwas anderes weckte mein Interesse, ein Gegenstand, der mir vor dem Einschalten meiner Taschenlampe nicht aufgefallen war: das Portrait eines Mannes in einem schweren silbernen Aufstellrahmen.
    Es war ein junger Mann mit wildem, dunklem Haar und
    wilden, dunklen Augen, den ich noch nie gesehen hatte, weder in Bridgets Nähe noch sonst wo. Er sah finster drein, das Kinn 142
    kämpferisch vorgeschoben, allenfalls um die Mundwinkel
    mochte man sich den Anflug eines Lächelns einbilden. Gut aussehend. Voller Leidenschaft.
    Und es war, als sähe mich dieser Mann grimmig an, würde
    jeden Moment den Mund aufmachen und fragen: Was machen Sie im Haus meiner Liebsten?
    Ich war ein Eindringling. Ein Eindringling, der vorgebeugt über den privaten Unterlagen einer ihm im Grunde fremden Frau stand und mit einer kleinen Taschenlampe das Foto eines fremden Mannes anleuchtete. Ich knipste das Licht aus, richtete mich auf und sah mich um. Zu peinlich, falls ich erwischt werden sollte; ich musste aufpassen.
    Ich blieb eine Weile reglos stehen und horchte in die Stille des Hauses, fühlte seine Kühle, roch den fremden

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