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Microsoft Word - Eschbach, Andreas - Der letzte seiner Art.doc

Microsoft Word - Eschbach, Andreas - Der letzte seiner Art.doc

Titel: Microsoft Word - Eschbach, Andreas - Der letzte seiner Art.doc Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: SF-Online
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In dem Sekundenbruchteil, in dem ich ihn hinter seinem Steuer gesehen habe, hat er mich direkt
    angeschaut, mit großen Augen und einem rätselhaft
    verbissenen Gesichtsausdruck.
    Und ich könnte schwören, dass er ein Headset aufhatte, wie man es für Mobiltelefone kaufen kann.
    Ein Anschlag? Das macht keinen Sinn. Zu unsicher. Zu
    sinnlos.
    Oder will mich jemand enttarnen?
    Aber wozu?
    Und Bridget will mich treffen.
    Ich merke, ich verstehe einfach nicht, was hier vor sich geht.
    176
    Das menschliche Bedürfnis nach Spiel und Scherz wäre nicht so groß, wenn es nicht eine gewisse natürliche Grundlage hätte. Im Übermaß gepflegt, rauben sie freilich einem Charakter alles Gewicht und alle Kraft. [...] Es ist ein großer Unterschied, ob du die Bande nur lockerst oder ganz auflöst.
    Seneca, DE TRANQUILLITATE ANIMI

12
    Beim Abmachen meiner Verbände musste ich an O'Shea
    denken und dass er mir nie wieder Verbände anlegen würde, und dann an den ersten Verband, den man mir in meiner
    Eigenschaft als werdender Cyborg abgemacht hat. Ein
    bescheidener weißer Mullwickel um den kleinen Finger der rechten Hand, aber vier Ärzte befassten sich damit, ihn zu entfernen, und sie sahen dabei so erwartungsvoll drein, dass man hätte meinen können, jeden Augenblick müsse das achte Weltwunder zum Vorschein kommen.
    Doch der Mull fiel, und da war nichts weiter als mein alter kleiner Finger, und er sah aus wie eh und je. Einen Moment lang hatte ich Sorge, sie könnten enttäuscht sein, die vier Männer in den weißen Kitteln, doch sie schienen im Gegenteil geradezu begeistert. Ob ich ihn bitte einmal beugen könne, den kleinen Finger der linken Hand? Danke, und nun wieder
    strecken – fühlt er sich irgendwie anders an? Nicht?
    Wunderbar. Großartig. Duane, Sie sind der Größte.
    Ein bisschen anders fühlte sich der Finger natürlich doch an, aber ich schob es darauf, dass er immerhin tagelang dick verbunden gewesen war und ich ihn nicht hatte rühren können.
    Kein Wunder, dass man den Eindruck hatte, er sei ein bisschen schwerer geworden und ein wenig schwerfälliger als vorher.
    177
    Dass er beim Beugen etwas ziepte, na ja, es hatte ja wohl irgendeine Operation an ihm stattgefunden, oder etwa nicht?
    Darauf schob ich es. Auf die Operation. Nicht auf das, was sie dabei mit mir gemacht hatten.
    Später wurde meine linke Hand unzählige Male geröntgt, in den unterschiedlichsten Haltungen insbesondere des kleinen Fingers, und die Jungs mit den Brillen und Kugelschreibern beugten sich über die Aufnahmen und besprachen sich leise und vermaßen Details darauf mit Schieblehren. Man befestigte Sensoren an meiner Hand und meinem kleinen Finger und ließ mich tausendmal dieselbe Bewegung machen, und jede davon löste eine Kaskade zuckender Kurven aus, die über grün
    leuchtende Bildschirme irrlichterten oder von
    spinnenbeinartigen Stiften auf langsam dahinlaufende
    Papierrollen gekratzt wurden. Wir kamen uns enorm wichtig vor, mein kleiner Finger und ich.
    So fing es an. Einige Zeit später standen neun Männer vor einer großen Glasscheibe und sahen zu, wie in dem
    gekachelten Raum dahinter der zehnte aus ihrem Bund
    hereingefahren wurde, bewusstlos, verbunden wie eine Mumie, eine Atemmaske auf dem Gesicht und Dutzende von
    Schläuchen, die aus Armen und Beinen kamen, und er war
    umzingelt von fiepsenden, blinkenden, pumpenden Geräten, die sich an sein Bett krallten wie stählerne Nachtmahre.
    Obwohl uns das Sichtfenster von der Intensivstation trennte, trugen wir grüne OP-Kleidung, bauschige Überziehschuhe und Mundschutz. Einer von uns würgte leise, aber es war nicht zu erkennen, wer. Wir machten keine Anstrengungen, es
    herauszufinden, denn was wir sahen, hätte noch ganz andere Reaktionen gerechtfertigt.
    Dafür, dass er nur einen einzigen indianischen Urgroßvater hat – einen Cree, glaube ich, in der väterlichen Linie, sodass 178
    ihm seine Familie zufällig ihren Namen verdankt –, und er ansonsten von gottesfürchtigen Methodisten abstammt, hat Gabriel Whitewater viel von einem Indianer an sich.
    Rabenschwarze, durchdringend blickende Augen,
    sandelholzfarbene Haut und schwarzes Haar, das er vor dem Eintritt ins Corps zum Pferdeschwanz zusammengebunden
    getragen hat, zumindest auf dem alten Foto, das er mit sich trug. Die Überreste, die ihm der Friseur auf dem Stutzpunkt gelassen hatte, trug er zurückgekämmt und mit reichlich
    Pomade, aber ich wette, heute läuft er wieder herum wie eine Rothaut auf dem

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