Microsoft Word - Eschbach, Andreas - Der letzte seiner Art.doc
Falles aufhören, eine Attraktion zu sein, und zwar für geraume Zeit.
Alles kein Problem also, bis auf den Umstand, dass das
genau die Art von Vorfall wäre, die mich ohne weitere
Verzögerung in eine amerikanische Militärmaschine Richtung Heimat bringen würde.
»Darf man wissen, wie Mrs Brannigan zu Ihnen in
Beziehung steht?«, fragte ich.
Finnan hob die Schultern »Freundin der Familie? Vertraute?
Kluge Beobachterin, Kundschafterin, Mitarbeiterin? Suchen Sie es sich aus.« Er leckte die Klebefläche seines
Zigarettenpapiers und rollte das Ganze zu einem
bemerkenswert gelungenen Endergebnis. »Die irische Kultur am Leben zu erhalten ist leider Gottes immer noch eine
weitgehend subversive Tätigkeit.«
»Das können Sie sicher besser beurteilen als ich.«, räumte ich ein und lehnte mich zurück, auf optimale
Verteidigungsposition bedacht. Ringsum rührte sich niemand.
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Ich hatte das Gefühl, dass jeder im Raum zuhörte. Er zückte ein Feuerzeug, drehte die Zigarette in seinen Fingern und betrachtete sie dabei, als fiele es ihm schwer, sein Werk den Flammen zu überantworten. »Der Name Bridget Keane sagt
Ihnen etwas?«, fragte er.
»Die Hotelmanagerin von Brennan's Hotel«, nickte ich.
Er nickte ebenfalls, schob sich die Zigarette endlich
zwisehen die Lippen und zündete sie kurz entschlossen an.
»Bridget ist meine Schwester.«, erklärte er, wahrend er den ersten Zug Rauch ausstieß. »Deshalb wollte ich mit Ihnen sprechen.«
Obwohl bestimmt nichts dergleichen geschehen ist, kommt
es mir in der Rückschau so vor, als habe sich in diesem
Augenblick das Licht im Cafe verändert, die Gerüche, die Geräusche ringsum, die Mienen auf den Gesichtern, alles. Von einem Moment zum anderen war alle Bedrohlichkeit
verschwunden wie nie gewesen, und was ich in Finnan
MacDonoghs Gesicht las, war nicht Abweisung, sondern tiefe Sorge.
»Ihre Schwester!?«, wiederholte ich ungläubig.
Er betrachtete das glühende Ende seiner Zigarette. »Was
wissen Sie über das, was am Dienstagabend im Hotel passiert ist?«
»Dienstagabend?« Ich war noch dabei, Zusammenhänge zu
erkennen und Schlussfolgerungen zu ziehen, und so etwas
beansprucht mich im Allgemeinen zu sehr, als dass ich zu besonders geistreichen Antworten imstande gewesen wäre »Es gab einen Mord.«
»Ich meine, was nicht in der Zeitung stand.« Er streifte den ersten hauchdünnen Ascheansatz ab. »Dieser Anwalt, der
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ermordet wurde, Harold Itsumi – wann haben Sie ihn das erste Mal getroffen?«
Ich widerstand der Versuchung, mit den Schultern zu
zucken. »Eine halbe Stunde vorher.«
Finnan MacDonogh nickte, als habe er mit dieser Antwort
gerechnet. »Harold Itsumi checkte am Donnerstag ein,
nachmittags um vierzehn Uhr. Das Erste, was er tat, nachdem Bridget ihm den Zimmerschlüssel ausgehändigt hatte, war, ihr einen Ordner mit Unterlagen zu geben und sie zu bitten, ihn im Hotelsafe für ihn aufzubewahren.«
Mir schwante etwas. Mir schwante auch, dass mir nicht
gefallen würde, was ich gleich zu hören bekommen sollte.
Finnan zog geradezu inbrünstig an seiner Zigarette. »Sie hätte es besser wissen müssen. Frauen und ihre verdammte Neugier.« Der Rauch kam aus seinem Mund, als erbreche er.
»Oder sie war einfach kopflos, wer weiß. Jedenfalls, sobald sie in dem Trubel nach dem Mord das erste Mal allein ist, holt Bridget diesen Ordner aus dem Safe und liest dann.« Er ließ dem brennenden Ende seiner Zigarette keine Chance, Asche anzusammeln. »Seither hat sie grässliche Angst, Mister
Fitzgerald. Sie ist untergetaucht, hält sich vor aller Welt versteckt und fürchtet um ihr Leben.«
Ich starrte ihn an und spürte förmlich, wie die Puzzlesteine in meinem Kopf sich mühlradschwer umherschoben auf der
Suche nach dem passenden Anschlussstück. Das ganze Bild
war immer noch nicht zu erkennen, aber ich begriff, dass das, was Finnan geschildert hatte, passiert sein musste, wahrend ich bei Dr. O'Shea gewesen war, um meine Blessuren verbinden zu lassen. »Was sind das für Unterlagen?«
»Sie hat sie mich nicht lesen lassen. Sie hat nur gesagt, ich soll Ihnen zu essen und zu trinken anbieten..« Er musterte mich 170
durchdringend. »Und sie hat prophezeit, Sie würden
ablehnen..«
Das klang nicht gut. Das hieß, dass die Unterlagen des
Anwalts tatsächlich Details über meine Beschaffenheit
enthielten. Mit anderen Worten, Informationen der höchsten militärischen Geheimhaltungsstufe.
»Am Dienstagnachmittag, etwa drei
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