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Microsoft Word - Eschbach, Andreas - Der letzte seiner Art.doc

Microsoft Word - Eschbach, Andreas - Der letzte seiner Art.doc

Titel: Microsoft Word - Eschbach, Andreas - Der letzte seiner Art.doc Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: SF-Online
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ventiliert. Viele der Anwesenden konnten die meisten Lieder lauthals mitsingen, jeder, der nicht gerade damit beschäftigt war, die Guinness-Vorräte zu dezimieren, klatschte den Takt mit, und je länger es ging, desto mehr gewann das, was so schlicht als Konzert angekündigt gewesen war, eine Intensität, die jedenfalls eine eventuelle seismologische Messstation in der Nachbarschaft von Dingle zu heftigen
    Fehlalarmen veranlasst hätte.
    Auf geheimnisvolle Weise schafften es die Anwesenden,
    neben all dem Singen, Trinken und Klatschen auch noch so viel zu rauchen, dass die Luft im Raum zu einem dichten Etwas wurde, das in der Umgebung der spärlich vorhandenen Lampen weiß glänzte und eher wie eine kompakte Masse wirkte als wie etwas, das man atmen konnte. Von der Dekoration an den
    Wänden war praktisch nichts mehr zu erkennen. Mein echtes Auge, derlei seit Jahren entwöhnt, begann zu tränen, und mir fiel wieder ein, dass unter den Geräten, die man mir aufgrund 184
    der Einstellung des Projekts nicht mehr implantiert hatte, ein Giftgasfilter in den Atemwegen gewesen wäre.
    Der Bierkonsum war ungeheuer, das jedenfalls blieb einem auch in all dem Dunst nicht verborgen. An der Theke kam man kaum nach mit dem Zapfen, und die fertigen Gläser wurden immer gleich paarweise weitergereicht. Rätselhaft, wohin all dieses Bier verschwand.
    Und dann hockte sich einer neben mich, der bisher wippend in der Menge gestanden hatte, fiel formlich auf die Bank, rot im Gesicht und strahlend vor Begeisterung, keuchte noch von dem Lied, das er eben lauthals mitgegrölt hatte, drehte sich zu mir um, sagte irgendetwas, das ich nicht verstand, entweder, weil sein Dialekt zu stark oder es sowieso Galisch war, und prostete mir zu. Es klang wie »Slontsche!« und wie ein Trinkspruch.
    Ich war so verblüfft, dass ich den Gruß erwiderte und
    ebenfalls trank. Einen zweiten Schluck, der schon nicht mehr so widerhch schmeckte wie der erste.
    Und wahrend ich das tat, begriff ich, dass ich seit über einem Jahrzehnt in Irland lebte und heute, hier, zum ersten Mal in einer irischen Kneipe ein Guinness trank, es wenigstens
    versuchte. Es trieb mir fast einen Schrei auf die Lippen. Der unschuldige Versuch des Mannes, mich ganz selbstverständlich in das Geschehen einzubeziehen, mich sozusagen aufzunehmen in die Gemeinschaft, die hier feierte, erschütterte mich gerade in seiner Unschuld, seiner Selbstverständlichkeit. So etwas wie das, was ich hier erlebte, ereignete sich in der einen oder anderen Form an jedem Abend in jedem Ort Irlands, doch ich war nie dabei gewesen. Und es gab einen Grund dafür. Der Grund war, dass ich anders war, nicht geeignet für ein Leben, in dem solche Dinge eine Rolle spielten.
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    Zum Glück ging das Fest weiter, folgte das nächste Lied, und den Mann neben mir trieb es wieder auf die Beine. Ich sah ihm zu und fühlte mich wie ein Eindringling, allem so fremd, wie ich tatsächlich war.
    Ungefähr um Mitternacht, geraume Zeit, nachdem das letzte Lied verklungen war, waren im Gewühl erste
    Absetzbewegungen auszumachen. Die wenigsten standen noch zweifelsfrei aufrecht. Es wurden Hände geschüttelt und
    Schultern geklopft, Worte zum Abschied mit schweren Zungen gesprochen, seltsamerweise aber trotzdem verstanden, und so ging es Schritt um Schritt in Richtung Ausgang, verbunden mit weiteren bierseligen Umarmungen und hier und da einem
    raschen Griff nach einer Schulter oder einer Stuhllehne, um das Gleichgewicht zu wahren. Eine langsame Diffusion der Gäste, die ich von meinem Platz aus angespannt beobachtete, hieß sie doch, dass es für mich jeden Moment losgehen musste, wenn ich auch noch keine Ahnung hatte, wie.
    Zur Tür hinauszukommen schien nicht so einfach zu sein. Wer auf die Straße hinausgelangt war, blieb dort erst einmal stehen, um lauthals weiter zu palavern, vorzugsweise mit Leuten, von denen er sich erst ein paar Minuten zuvor ausführlich
    verabschiedet hatte. Innen staute es sich zu einer
    Menschentraube, was aber im Grunde niemanden zu stören
    schien, schwadronierte es sich doch auf beiden Seiten der Tür gleich gut. Man hörte, wie draußen Autos angelassen wurden und dann ewig mit laufendem Motor dastanden, ohne dass sich etwas rührte. Angesichts des Alkoholkonsums der vergangenen Stunden und der Tatsache, dass sich gegenüber von
    O'Flaherty's Bar eine Station der Garda befand, kam mir das alles reichlich tollkühn vor. Chaotisch eben, genau wie Finnan MacDonogh es angekündigt

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