Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Microsoft Word - Eschbach, Andreas - Der letzte seiner Art.doc

Microsoft Word - Eschbach, Andreas - Der letzte seiner Art.doc

Titel: Microsoft Word - Eschbach, Andreas - Der letzte seiner Art.doc Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: SF-Online
Vom Netzwerk:
Besucher ein, die sie oder sonst jemand vom Personal kannten. Sie nahmen diese Aufgabe beruhigend ernst; alle paar Minuten wandten sie sich mit Rückfragen an die Leute hinter der Bar, und erst wenn von dort ein Nicken kam, wurde die fragliche Person eingelassen. Touristen wiesen 181
    sie mit dem Hinweis ab, es handle sich heute Abend um eine geschlossene Gesellschaft.
    »Es war aber als Konzert angekündigt«, protestierte einer, ein magerer, zerknittert wirkender Mann mit kehliger Stimme.
    »Überall hängen die Plakate. Wir sind extra aus Killarney hergefahren.«
    »Tut mir Leid«, beharrte der Muskelmann gleichmütig. »Wir haben unsere Anweisungen.«
    »Verdammt blöde Anweisungen, wenn du mich fragst«, rief
    ein anderer streitlustig.
    »Hört zu, Freunde«, sagte der andere Torwächter, »in Dingle gibt's jede Menge Pubs. Ihr werdet nicht nüchtern bleiben müssen, es sei denn, ihr legt's drauf an.«
    Das, so schien es einem weitgehend unbeteiligten Zuschauer wie mir, war ein schlagendes Argument.
    Aus reiner Neugier – redete ich mir zumindest ein; vielleicht war es auch der Umstand, dass ich seit Donnerstagmittag nichts gegessen hatte und das Zeug in dem Glas irgendwie so nahrhaft aussah – und obwohl mir klar war, dass mein rudimentäres Verdauungssystem alles andere als begeistert reagieren würde, probierte ich einen Schluck Guinness. Es war so bitter, dass es mir die Tränen in die Augen trieb. Himmel! Ich musste mich beherrschen, nicht auszuspucken. Ungläubig sah ich zu, wie jemand das erste Drittel seines Glases auf einen Zug leerte, um es anschließend selig lächelnd abzustellen. Ich hatte schon Probleme, meinen winzigen Nipper hinabzuschlucken, und
    musterte das, was noch in meinem Glas war – und dort auch bleiben würde –, ohne ansatzweise nachvollziehen zu können, wie jemand ein ganzes Glas voll davon zu trinken imstande war, von mehreren Gläsern ganz zu schweigen.
    182
    Endlich, als es in der Bar schon ungefähr doppelt so eng zuging wie in der Bostoner U-Bahn zur Rush Hour und der
    Lärmpegel der wortreich geführten Unterhaltungen einen
    Lautstärkelevel erreicht hatte, der es unvorstellbar machte, dass sich irgendeine Art von unverstärktem Musikinstrument
    dagegen durchsetzen würde, erfolgte der Einmarsch der
    Gladiatoren.
    Unter allseitigem Johlen bahnten Finnan MacDonogh und
    seine Mitmusiker sich Schritt für Schritt den Weg zu den Barhockern in der Mitte des Raumes, auf denen teilweise schon Leute saßen, die die Instrumente sorgsam auf dem Schoß oder zwischen den Beinen hielten.
    Doch als Finnan und seine Mannen nahten, wurden Plätze
    und Musikinstrumente anstandslos zurückgegeben, und das
    Unglaubliche geschah: So etwas wie gespannte Stille kehrte ein, und es bildete sich eine Art freier Raum rings um die Musiker, sodass sie anfangen konnten, ihre Instrumente zu stimmen.
    In all dem Trubel streifte Finnan mich nur mit einem
    einzigen, flüchtigen Blick. Kein verschwörerisches Blinzeln, kein Nicken, dass alles nach Plan verliefe – er vergewisserte sich lediglich beiläufig, dass ich anwesend war. Dann hängte er sich die Gitarre um, und Finnan's Folk begann zu spielen.
    Sie waren zu fünft. Ein dürrer Jüngling mit Nickelbrille spielte Querflöte, ein Mann mit einer violett schillernden Weste Geige, und ein reichlich verrückt wirkender Rotschopf betätigte eine Trommel, die aussah wie ein übergroßes
    Tamburin ohne Schellen. Eine ätherisch anmutende,
    strohblonde Frau spielte erstaunlicherweise Bass, auf einem zerschundenen Kontrabass mit jeder Menge Aufklebern auf
    dem Korpus, die auf all den Schrammen wie Heftpflaster
    wirkten. Finnan selber spielte abwechselnd Gitarre und Banjo 183
    und sang dazu mit einem unglaublich lauten Organ, das
    wahrlich keinen Verstärker nötig hatte.
    Er sang hauptsächlich in Gälisch, zumindest glaube ich das, denn ich verstand kein Wort. Und er hatte eindeutig Charisma.
    Die Leute gingen mit. Die Musik mochte in meinen ungeübten Ohren fremd klingen, aber sie wurde jedenfalls mit
    Leidenschaft gespielt: Im Nu troff Schweiß von den Stirnen und aus den zerwühlten Haaren der Musikanten, Füße wippten heftig im Takt, und die Gesichter der Band waren ein Bild vollständiger Konzentration.
    Der Saal kochte, hätte man gesagt, wenn es ein Saal gewesen wäre So war der Raum ein Druckkochtopf, in dem sich Energie anstaute, die für eine Revolution ausgereicht hatte, doch zum Glück für die öffentliche Ordnung wurde sie in Musik und Gesang

Weitere Kostenlose Bücher