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Microsoft Word - Eschbach, Andreas - Der letzte seiner Art.doc

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Titel: Microsoft Word - Eschbach, Andreas - Der letzte seiner Art.doc Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: SF-Online
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MORALES

13
    Die letzte Strecke fuhr Finnan ohne Licht, nur nach Gefühl, wie mir schien, und er erwies sich zumindest in dieser
    Beziehung als nicht sonderlich gefühlvoll. Obwohl ich an diesem Abend am liebsten auf jeden Einsatz meiner
    technischen Organe verzichtet hätte, konnte ich doch nicht anders, als sicherheitshalber auf Nachtsicht zu schalten. In einer grünlichschwarzen, weithin offenen Landschaft entdeckte ich ein paar Schafe, die ihre Köpfe in unsere Richtung drehten, Hügel und Täler, aber nichts, das wie ein Weg ausgesehen hätte.
    Trotzdem tauchte, noch ehe ich mich dazu durchgerungen
    hatte, eine entsprechende Bemerkung zu machen, etwas vor uns auf, das aussah wie ein Steinhügel von der Form eines der Länge nach halbierten Zylinders, nur dass es in der
    Infrarotwahrnehmung ein auffallend warmer Steinhügel war.
    Finnan ließ einen Moment lang die Scheinwerfer aufflammen und lenkte den Wagen dann in eine Art Unterstand aus
    entsprechend zurechtgebogenem Gestrüpp, das ihn bei Tag
    zuverlässig versteckt hätte und bei Nacht natürlich sowieso.
    »Einen Augenblick noch«, sagte er, nachdem er den Motor
    ausgeschaltet hatte, und blieb reglos hinter dem Steuer sitzen, den Blick auf die samtgrün leuchtenden Ziffern der Armaturen gerichtet.
    192
    Es wurde mehr als ein Augenblick. Minuten vergingen, und wer niemals schweigend in einem dunklen Auto mitten in einer gottverlassenen nächtlichen Einöde gesessen ist, ahnt nicht, wie lang einem unter diesen Umständen eine Minute
    vorkommt.
    »Darf ich fragen, was das werden soll?«, fragte ich
    schließlich leise.
    »Wir sind nicht so allein, wie es aussieht«, entgegnete
    Finnan rätselhaft und zog, ohne den Blick von der Digitaluhr zu wenden, ein Sprechfunkgerät unter dem Sitz hervor. Er schaltete es ein, regelte das Hintergrundrauschen auf eine erträgliche Lautstärke zurück, und dann saßen wir da und lauschten dem einschläfernden Knistern und Pfeifen des
    Kurzwellenbandes.
    Plötzlich war die Stimme eines Mannes zu vernehmen.
    »Eins«, sagte sie langsam und deutlich. »Klare Nacht.
    Wiederhole: Eins, klare Nacht.«
    Gleich darauf meldete sich eine andere, hellere Stimme:
    »Zwei. Klare Nacht. Wiederhole: Zwei, klare Nacht.«
    In gleicher Weise teilten uns auch Drei, Vier und Fünf mit, dass die Nacht klar sei. Finnan schaltete das Gerät zufrieden wieder aus, ohne selber einen Pieps gefunkt zu haben, zog den Autoschlüssel ab, sodass die grünen Ziffern und Anzeigen erloschen, und öffnete die Tür.
    »Kommen Sie«, sagte er.
    Ich begriff, dass Finnan Späher entlang unseres Weges
    postiert hatte, deren Aufgabe gewesen war, eventuelle
    Verfolger zu melden, und diese Meldung war für eine
    bestimmte Uhrzeit – vielleicht auch für mehrere Uhrzeiten –
    verabredet, sodass er informiert sein konnte, ohne dass wir 193
    unsere Position durch einen Funkimpuls hätten verraten
    müssen.
    Er musste so etwas wirklich schon oft gemacht haben.
    Wir gingen zu dem halbrunden Steinbau hinüber. »Es ist ein umgebauter Schafstall«, erklärte Finnan halblaut, während er die hölzerne Tür an der Stirnseite aufzog. »Erwarten Sie also nicht allzu viel Luxus. Und Vorsicht, es geht zwei Stufen hinab.«
    Zwei Stufen tiefer war es immer noch dunkel. Es roch
    intensiv nach Schaf, außerdem nach Dung oder feuchtem Heu und nach Rauch. Finnan zog die Tür hinter uns zu, verriegelte sie und schob einen schweren Vorhang beiseite, und etwas Licht kam in die Sache.
    Ich sah ein niedriges Gewölbe, gerade hoch genug, um in der Mitte zu stehen. Zwei Fensteröffnungen rechts und links waren mit Holzluken verriegelt. Auf dem Boden lagen zahlreiche große und kleine, größtenteils abgeschabte Teppiche und
    Teppichbodenstücke, einander teilweise überlappend. Eine Matratze, darauf ein Schlafsack, daneben eine hölzerne Truhe.
    Ein winziger eiserner Ofen mit einem kaum unterarmdicken Schornsteinrohr nach draußen verbreitete wohlige Wärme.
    Am hinteren Ende des Gewölbes endlich stand ein Tisch,
    darum drei Stühle, darauf ein Leuchter mit drei Kerzen.
    Dahinter saß Bridget Keane in einem schlichten grauen
    Kleid, die Hände gefaltet auf einem schmalen grauen Ordner ruhend, und sah uns mit angespanntem Gesicht entgegen.
    »Hallo«, sagte sie leise, kaum hörbar, aber natürlich hörte ich es und konnte mich nicht länger gegen das Gefühl wehren, ein unterirdisches Zauberreich betreten zu haben.
    Ich weiß nicht mehr, was ich sagte. Ich weiß nicht einmal, ob ich

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