Microsoft Word - Eschbach, Andreas - Der letzte seiner Art.doc
überhaupt etwas sagte. Jedenfalls setzten wir uns um den 194
Tisch herum, und ich sah sie ungefähr eine Million Jahre lang einfach nur an.
»Schön, dass Sie gekommen sind, Duane«, sagte sie
schließlich. »Ich darf Sie doch Duane nennen?«
»Selbstverständlich«, nickte ich. Das Kleid, das sie trug, hatte ich nie zuvor an ihr gesehen. Weich und schimmernd umfloss es ihre Gestalt, ein Stoff von der Farbe regenschwerer Wolken, der ihr wildes rotes Haar wie ein Buschfeuer aussehen ließ. Alles, was sie an Schmuck trug, war eine dünne Halskette mit einem Anhänger in Form eines Schwans. Ihre Augen
erwiderten meinen Blick, grün und unergründlich wie
Gebirgsseen, und als ich auf ihre schlanken, mit
Sommersprossen übersprenkelten Hände hinabsah, nahm sie
sie von dem Ordner herunter, und ich sah, dass er silbern war, nicht grau, und dass darauf das Wappen mit dem blutroten Zweig prangte, das einmal das Emblem unserer Einheit hatte werden sollen.
Es waren die Originalunterlagen, ohne Zweifel. Originaler ging es kaum.
Ich holte tief Luft und spürte eine pennälerhafte
Befangenheit wie stählerne Klammern um meinen Brustkorb.
Falls es nicht die stählernen Implantate waren, die sich sowieso darin befinden.
»Als Mister Itsumi mir das gab«, erzählte Bridget und
berührte den Ordner sacht dabei, »sagte er zwar, >falls mir etwas zustoßen sollte<. Aber er sagte es auf eine alberne Weise, so, wie man eben einen Witz macht. Ich habe es nicht ernst genommen. Und als er plötzlich tot war... Ich wollte einfach nur wissen, was mit diesem Mann geschehen war,
verstehen Sie? Warum man ihn getötet hatte.«
»Und?«, fragte ich leise. »Verstehen Sie es jetzt?«
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Sie schüttelte den Kopf. »Nein. Nicht wirklich. Nur, dass es etwas zu tun haben muss mit all diesen... unglaublichen Sachen, die hier drinstehen.« Sie zog die Finger zurück, als sei der Ordner plötzlich glühend heiß geworden. »Duane, sagen Sie mir, stimmt das alles? Was da über Sie steht?«
»Ich weiß nicht, was da steht«, erklärte ich.
»Dass Sie ein... Cyborg sind.«
Ich nickte. »Das stimmt.«
»Ein Soldat mit übermenschlichen Fähigkeiten? Das sind
Sie?«
»Ja.«
Sie machte eine atemlose Pause Ihre Augen waren groß und großer geworden, ich ertrank fast in ihnen. Dann schüttelte sie entschieden den Kopf »Ich kann das nicht glauben. Tut mir Leid.« Es hatte beinahe etwas Komisches, wie sie das sagte, so trotzig. Und natürlich glaubte sie es. Schließlich hatte sie Finnan vor unserem Treffen im Cafe genau gesagt, wie er mich testen sollte.
Ich sah mich seufzend in dem niedrigen Unterschlupf um.
»Was hier drinnen darf ich kaputtmachen?«
Finnan warf mir einen abschätzigen Blick zu, aus dem ich Skepsis zu lesen meinte »Wie war's mit dem Schürhaken?
Sollte doch kein Problem sein, den ein bisschen zu verbiegen, oder?«
»Nein«, sagte ich und stand auf. »Sollte kein Problem sein.«
Ich zog Steves muffelnde Schafwolljacke aus, ging zum Ofen, hob den schweren Haken aus ungefähr fingerdickem Stahl auf und schloss meine rechte Hand um das hintere Ende. Kein
Problem. Der Druck der Belastung würde sich, wenn ich fest zupackte, gleichmäßig über den größten Teil des Handtellers verteilen. Ich aktivierte das Kraftverstärkersystem, und obwohl 196
ich wusste, dass dem nicht so war, bildete ich mir ein, dass man dessen Summen auch außerhalb meines Körpers hörte.
Dann drückte ich das vordere Ende des Schürhakens auf den Boden, stellte den Innenrist des linken Fußes dagegen und bog den Stahl mit einer einzigen, fließenden Bewegung zu einem schiefen Oval zusammen, das jedenfalls zum Feuermachen nie wieder taugen würde.
»Sie sind nicht einmal außer Atem«, stellte Bridget fest, als ich das Metalldings auf den Tisch legte. »Nicht halb so sehr wie ich.«
»Mit Atmung hat das auch nichts zu tun«, sagte ich, setzte mich und warf einen kurzen Blick in meine rechte Handflache Sie war ein wenig gerötet, aber ansonsten unverletzt »Das war Elektrizität«
Finnan nahm den ehemaligen Schürhaken hoch und
versuchte, etwas an dessen neuer Form zu ändern, natürlich ohne das Mindeste auszurichten. »Dann haben also Sie die Zerstörungen in Mister Itsumis Zimmer angerichtet«, erkannte er.
»Als ich den Mörder verfolgt habe – Ja.« Ich knöpfte meinen rechten Hemdsärmel auf und streifte ihn zurück, so weit es ging. Dann legte ich den Arm so auf den Tisch, dass man im Licht der Kerzen die dünne Narbe sah, die
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