Microsoft Word - Green, Simon R.-Todtsteltzers Ende
gepflasterten Straßen folgten. Auf dem Herbstfluss, der sich durch das Stadtzentrum wand, tuckerten jedoch nach wie vor dampfgetriebene Barken dahin, und die Wachleute gingen zu zweit Streife, weil
es so sicherer war. Zwar galten auf Nebelwelt Gesetze, aber genau wie Bretts Bildung waren sie lückenhaft. Die Leute, die in ihren dicken Pelzen und Mänteln auf den Straßen herumeilten, scherten sich nicht
um Kramer und seine Begleiter.
»Heh, mir ist gerade etwas aufgefallen?«, sagte
Brett. »Warum bist du dann hineingetreten?«, fragte
Rose. Alle mussten nun anhalten und warten, während Brett sich den Schuh ausgesprochen gründlich
sauber scharrte. Kramer funkelte ihn ungeduldig an,
aber diesmal hatte Brett den funkelnden Blick besser
drauf. Als er überzeugt war, gründliche Arbeit geleistet zu haben, deutete er mit einer Geste in die Runde.
»Ich wollte sagen: Wo sind Eure Standbilder? Die
Hälfte aller historischen Helden ist während der
Großen Rebellion regelmäßig hier durchgekommen,
und ich habe bislang kein einziges Standbild von ihnen gesehen. Nicht mal von Owen, der nach allem,
was man so hört, diese Stadt ein halbes Dutzend Mal
ganz allein gerettet hat.«
»Wir glauben nicht an sie«, entgegnete Kramer
kurz. »Standbilder oder Helden?«, erkundigte sich
Lewis. »Wir brauchen keine Standbilder, um uns
daran zu erinnern, was Owen und Hazel D'Ark hier
geleistet haben«, erklärte Ratsherrin Goldmann.
»Wir denken daran. Das werden wir immer tun. Wir
selbst sind ihr Erbe, nicht ein idealisierter Steinklotz.
Wir haben allerdings ein paar Krankenhäuser, die St.
Beatrix gewidmet sind, aber das ist etwas anderes.«
Niemand wusste darauf etwas zu sagen, also wurde der restliche Weg weitgehend schweigsam zurückgelegt. Er endete in einer schlichten Kneipe tief
im Herzen der Stadt. Diese Gastwirtschaft schien eine recht erfreuliche Angelegenheit zu sein, nach der
bitteren Kälte draußen herrlich warm und gemütlich.
Lewis und seine Begleiter nahmen schnurstracks
Kurs auf das prasselnde offene Feuer im riesigen
gemauerten Kamin, während Kramer mit dem Wirt
redete, einem kleinen Fettkloß von Mann in Kleidern, deren Farben miteinander in fröhlichem Streit
lagen. Lewis und Jesamine wechselten sich vor dem
Kamin ab, um die tauben Hände durch kräftiges Reiben wieder zum Leben zu erwecken, wobei sie jeweils das Gesicht vom Kribbeln und Stechen verzogen. Brett stand mit dem Rücken zum Feuer und
streckte diesem das Hinterteil entgegen, um in den
vollen Genuss der Wärme zu kommen. Lediglich
Rose schien sowohl von der Kälte als auch der neuen
Wärme völlig unbeeindruckt. Die übrigen Kneipengäste ignorierten die Neuankömmlinge und machten
sich nicht mal die Mühe, ihre Stimmen zu senken.
Der Wirt führte die neuen Gäste nun in ein Nebenzimmer und hantierte fröhlich in der Gegend herum,
bis es sich jeder bequem gemacht hatte und mit einem Krug versorgt war, der etwas Warmes und Beruhigendes und trügerisch Alkoholisches enthielt. Er
versprach auch, bald und in reichlichem Maße warme Speisen aufzutragen. Rose wich er weiträumig
aus, aber das taten sowieso alle. Lewis und seine Gefährten saßen mit Kramer und Goldmann an der
Cheftafel, während die übrigen Nebelweltler ein
Stück entfernt Platz nahmen.
»Was ist das für ein Tier auf dem Schild über der
Tür, durch die wir eingetreten sind?«, fragte Brett
den Wirt.
»Das, Sir, ist ein Koboldshund. Die Gaststätte ist
nach dieser Kreatur benannt, und das war vielleicht
ein grauenhaftes Tier, Sir! Seit über hundert Jahren
trägt die Kneipe den Namen Koboldshund und ist
berühmt für gute Weine und Spirituosen. Früher, zu
Zeiten meines Großvaters, nannte man sie Schwarzdorn, wurde aber umbenannt, um den Tod des letzten
Koboldshundes zu feiern. Scheußliche Biester waren
das, Sir, haben nicht weniger aus Spaß getötet als aus
Hunger, oder so hat man es mir zumindest erzählt.
Jedenfalls wurden sie gejagt, bis sie ausgerottet waren, und schön, dass wir sie los sind. Es heißt, irgendein verdammter Idiot hätte ein Zuchtpaar für den
Zoo verschonen wollen, aber mein Großvater hat ihn
zur Sicherheit erschossen.«
Er sah, dass Kramer ihn ungeduldig anfunkelte,
und erinnerte sich daran, dass er dringend anderswo
gebraucht wurde. Er hastete geschäftig von dannen,
und die eigentliche Konferenz nahm ihren Anfang.
Der Stadtrat von Nebelhafen und damit automatisch
ganz Nebelwelt setzte sich, wie nun klar wurde,
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