Microsoft Word - Green, Simon R.-Todtsteltzers Ende
Verantwortung,
das Leben eines anderen zu nehmen.«
»Warum seid Ihr hier, Owen?«, beharrte Ruhmhild. »Was möchtet Ihr?«
»Ich bin meiner Freundin Hazel gefolgt. Ihre Spur
führte mich her.«
»Hazel?«, fragte Dominik. »Dieses Ding war einmal ein Mensch?«
Ruhmhild schnaubte lautstark; die dunklen Augen
blickten hart, und die Lippen formten eine grimmige
Linie. »Eure Freundin hat vielleicht einmal als Mensch
angefangen, aber was hier eintraf, war eher eine fürchterliche Naturgewalt. Sie erschien aus dem Nichts heraus, manifestierte sich in einem Tachyonenregen auf
einer hohen Umlaufbahn und gab zu erkennen, dass sie
durch die Zeit reiste. Sie wies keinerlei körperliche Gestalt oder Dimension auf, war einfach nur eine ungeheure, grauenhafte Präsenz, von Willenskraft direkt ins
Gewebe der Wirklichkeit hineingestanzt. Sie war gigantisch und mächtig und so gnadenlos wie nur irgendein Teufel. Sie sank auf Herzwelt herab, fegte alle
unsere Abwehreinrichtungen weg und tobte sich auf
der ganzen Welt aus, indem sie Tod und Verwüstung
verbreitete. Sie riss die Erde auf und wütete in den
Städten herum, und keine unserer Waffen konnte sie
auch nur erreichen. Wir nannten sie den Verrückten
Verstand, ausgehend von einer Legende aus der Frühzeit des Imperiums.«
(So, dachte Owen. Jetzt weiß ich, wohin ich mich als
Nächstes wende.)
»Schließlich«, erzählte Dominik, »verschwand der
Verrückte Verstand so schnell, wie er gekommen war
- aber da lag unsere halbe Welt schon in blutigen Ruinen. Und seitdem warten wir darauf, ob nicht noch
solch ein Monster aus der Zeit über uns herfällt.«
»Und hier seid Ihr«, sagte Ruhmhild. »In unserer
Gewalt, um Euch für die Verbrechen Eurer ... Freundin zu verantworten.«
»Können wir das wirklich tun?«, fragte Dominik,
der nicht mal versuchte, seine Unsicherheit zu verhehlen. »Ich meine, seht Euch den Burschen nur mal
an! Er weist keinerlei Ähnlichkeit mit dem Verrückten Verstand auf, weder der Gestalt noch dem Wesen
nach. Wir dürfen doch nicht ein Individuum für die
Verbrechen eines anderen zur Verantwortung ziehen.
Das wäre ... unmenschlich.«
»Es ist der Wille des Imperators!«
»Wirklich? Vielleicht würde er anders empfinden,
falls er Owen begegnete.«
Owen ließ sie eine Zeit lang zanken, aber bald
wurde deutlich, dass sie nicht in naher Zukunft zu
einem Ergebnis gelangen würden, und so mischte er
sich aufs Neue ein. »Warum herrscht so viel Raumschiffverkehr auf Herzwelt? Liegt irgendein Notfall
vor? Vielleicht etwas, wobei ich helfen könnte?«
»Nein«, sagte Dominik. »Eine Menge Menschen
verlassen Herzwelt, um die äußeren Kolonien aufzusuchen. Um ihrem jeweiligen Glauben zu folgen oder
dem angekündigten Niedergang und Sturz des Imperiums zu entrinnen. Ratten, die ein sinkendes Schiff
verlassen. Die Menschheit hat sich ... aufgetrennt,
gespalten. Wir alle unterscheiden uns inzwischen zu
sehr voneinander. Jeder schreit nach den allerneuesten Techimplantaten, Chemoverstärkern und genetischen Umbauten. Alle möglichen Subspezies existieren inzwischen; nichts ist verboten, und es herrscht
ein Wildwuchs an Experimenten. Wir wissen alles
darüber, wie man den Körper verändert, aber nicht
annähernd genug über die Auswirkungen dieses Tuns
auf die Seele, die menschliche Natur. Wir kennen
inzwischen ein Dutzend verschiedene Geschlechter,
Formen kollektiven Bewusstseins und von MenschTier-Kombinationen. Ideen sind zum Gegenstand der
Mode geworden, und Persönlichkeiten wechseln
nach Lust und Laune den Körper und tragen unterschiedliche Gestalten wie Anzüge.«
»Ihr seid so ein süßes altmodisches Ding, Dom«,
meinte Ruhmhild und lächelte zum ersten Mal. »Es
ist nicht alles schlecht. Der Körperwechsel hat uns
ermöglicht, das Universum zu erforschen. Wir wandeln auf Planeten, die wir früher nie hätten erleben
können, da die Terraformung ihre wahre Natur zerstört hätte. Wir atmen Gift, stehen unter der härtesten
Schwerkraft aufrecht und schwimmen durch Gasplaneten.«
»Das ist aber nicht der Grund, warum man auf
Herzwelt den Körper wechselt«, blieb Dominik hartnäckig. »Wandel ist heutzutage voll in Mode, nur des
Nervenkitzels, der Erfahrung halber. Wir hungern
alle so verzweifelt nach neuen Erlebnissen! Wenn
nichts mehr verboten ist, wo holt man sich dann den
billigen Nervenkitzel und die kranken kleinen Freuden der Sünde? Alles ist heute möglich, und deshalb
fällt das Imperium auseinander. Wir
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