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Middlesex

Middlesex

Titel: Middlesex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffrey Eugenides
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gesetzt, fort in die Sicherheit der Küche, wo der Herd elektrisch war. »Eure jiajia mag Feuer nicht«, erklärte mein Vater uns. Und nachdem er das Streichholz entzündet hatte, hielt er es an mit Elfen und Weihnachtsmännern bedrucktes Papier, und Flammen züngelten auf, und wir unwissenden amerikanischen Kinder warfen wie die Verrückten Papier, Schachteln und Geschenkbänder in das prasselnde Feuer.)
    Dr. Philobosian trat auf die Straße, schaute in beide Richtungen und rannte hinüber, durch die gegenüberliegende Tür. Er stieg die Treppe hoch bis zum Absatz, wo er das Obere des Kopfes von Frau Bidzikian, die im Wohnzimmer saß, von hinten sehen konnte. Er lief zu ihr hin, sagte, sie solle sich keine Sorgen machen, er sei Dr. Philobosian von gegenüber. Frau Bidzikian schien zu nicken, doch ihr Kopf blieb gesenkt. Dr. Philobosian kniete sich neben sie. Ihren Hals betastend, spürte er einen schwachen Puls. Vorsichtig zog er sie aus dem Sessel und legte sie auf den Fußboden. Da hörte er Schritte auf der Treppe. Er eilte durchs Zimmer und versteckte sich hinter den Vorhängen, als auch schon die Soldaten hereinstürmten.
    Eine Viertelstunde lang durchwühlten sie die Wohnung, nahmen mit, was die erste Horde übrig gelassen hatte. Sie leerten Schubladen aus und schlitzten Sofas und Kleider auf, suchten alles nach verstecktem Schmuck oder Geld ab. Nachdem sie abgezogen waren, wartete Dr. Philobosian volle fünf Minuten, bis er wieder hinter dem Vorhang hervortrat. Frau Bidzikians Puls war stehen geblieben. Er breitete sein Taschentuch über ihr Gesicht und machte über ihrem Leichnam das Kreuzzeichen. Dann nahm er seine Arzttasche und rannte die Treppe hinab.
    Vor dem Feuer kommt die Hitze. Feigen, am Kai aufgehäuft, nicht rechtzeitig verladen, fangen an zu backen, werfen Blasen, schwitzen Saft aus. Die Süße mischt sich mit dem Rauchgeruch. Desdemona und Lefty stehen so nahe am Wasser, wie es nur geht, ebenso wie alle anderen. Es gibt kein Entrinnen. Türkische Soldaten bleiben an den Barrikaden. Menschen beten, heben die Arme, flehen Schiffe im Hafen an. Suchscheinwerfer schweifen übers Wasser, erfassen Schwimmende, Ertrinkende.
    »Wir werden sterben, Lefty.«
    »Nein. Wir kommen hier noch raus.« Aber das glaubt Lefty nicht. Als er auf die Flammen sieht, ist auch er sicher, dass sie sterben werden. Und diese Sicherheit verleitet ihn dazu, etwas zu sagen, was er sonst niemals gesagt, etwas, woran er nicht einmal gedacht hätte. »Wir kommen hier raus. Und dann heiratest du mich.«
    »Wir hätten gar nicht fortgehen sollen. Wären wir doch in Bithynios geblieben.«
    Als das Feuer näher kommt, öffnen sich die Türen des französischen Konsulats. Eine Marinegarnison bildet, quer über den Kai zum Hafen, zwei Reihen. Die Trikolore wird eingeholt. In den Türen des Konsulats tauchen Leute auf, Männer in cremefarbenen Anzügen und Frauen mit Strohhut, Arm in Arm gehen sie zu einer wartenden Barkasse. Über die gekreuzten Gewehre der Marineinfanteristen hinweg sieht Lefty auf den Gesichtern der Frauen frischen Puder, in den Mündern der Männer glimmende Zigarren. Eine Frau trägt einen kleinen Pudel auf dem Arm. Eine andere Frau stolpert, bricht sich den Absatz ab, wird von ihrem Mann getröstet. Nachdem die Barkasse abgelegt hat, wendet sich ein Beamter an die Menge.
    »Nur französische Staatsbürger werden evakuiert. Wir beginnen sofort mit der Ausstellung von Visa.«
    Als sie das Klopfen hören, erschrecken sie. Stepan geht ans Fenster und schaut hinab. »Das muss Vater sein.«
    »Geh. Lass ihn rein! Rasch!«, sagt Toukhie.
    Karekin hüpft, zwei Stufen auf einmal, die Treppe hinab. An der Tür bleibt er stehen, sammelt sich und entriegelt leise die Tür. Als er sie aufzieht, sieht er zunächst nichts. Dann ein feines Zischen, gefolgt von einem Reißgeräusch. Das Geräusch klingt, als habe es nichts mit ihm zu tun, bis unvermittelt ein Hemdknopf abspringt und gegen die Tür klickert. Karekin blickt nach unten, und auf einmal füllt sich sein Mund mit einer warmen Flüssigkeit. Ihm ist, als würde er von den Füßen gehoben, das Gefühl löst in ihm Kindheitserinnerungen aus, wie er von seinem Vater in die Luft gewirbelt wurde, und er sagt: »Papa, mein Knopf«, bevor er hoch genug gehoben wird, um das Stahlbajonett zu erkennen, das sein Brustbein durchbohrt. Der Feuerschein eilt den Gewehrlauf entlang, über Visier und Hahn, bis zum ekstatischen Gesicht des Soldaten.
    Das Feuer kam der Menge am Kai immer

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