Middlesex
Araber?«, fragte Desdemona, sobald sie allein mit ihrer Cousine in der Küche war. »Hast du uns deshalb in deinen Briefen nichts über ihn geschrieben?«
»Er ist kein Araber. Er ist vom Schwarzen Meer.«
»Das ist die sala«, erklärte Zizmo unterdessen Lefty auf seiner Tour durchs Haus.
»Ein Pontier!«, ächzte Desdemona entsetzt, während sie in den Kühlschrank schaute. »Ist doch kein Moslem, oder?«
»Nicht jeder vom Pontus ist konvertiert«, spöttelte Lina. »Was glaubst du denn, ein Grieche schwimmt im Schwarzen Meer und wird zum Moslem?«
»Aber türkisches Blut hat er?« Sie senkte die Stimme. »Ist er deshalb so dunkel?«
»Das weiß ich nicht, ist mir auch egal.«
»Ihr könnt so lange bleiben, wie ihr wollt« - Zizmo führte Lefty nun nach oben -, »aber ein paar Regeln gibt es. Erstens, ich bin Vegetarier. Wenn deine Frau Fleisch kochen will, geht das nur mit getrennten Töpfen und Geschirr. Auch: kein Whiskey. Trinkst du?«
»Manchmal.«
»Hier nicht. Geh in eine Spelunke, wenn du trinken willst. Ich will keinen Ärger mit der Polizei. Und nun zur Miete. Ihr seid verheiratet?«
»Ja.«
»Was für eine Mitgift hast du bekommen?«
»Mitgift?«
»Ja. Wie viel?«
»Aber hast du denn gewusst, dass er so alt ist?«, flüsterte Desdemona unten, während sie den Herd inspizierte.
»Immerhin ist er nicht mein Bruder.«
»Still! Auch nicht im Scherz.«
»Ich habe keine Mitgift bekommen«, antwortete Lefty. »Wir haben uns auf dem Schiff kennen gelernt.«
»Keine Mitgift!« Zizmo blieb auf der Treppe stehen und sah sich erstaunt zu Lefty um. »Aber warum hast du dann geheiratet?«
»Wir haben uns verliebt«, sagte Lefty. Das hatte er noch nie einem Fremden gegenüber gesagt, und es machte ihn glücklich und angstvoll zugleich.
»Wenn man kein Geld kriegt, heiratet man auch nicht«, sagte Zizmo. »Deshalb habe ich so lange gewartet. Bin beim Verhandeln halt standhaft geblieben.« Er zwinkerte.
»Lina hat erwähnt, dass du jetzt dein eigenes Geschäft hast«, sagte Lefty plötzlich interessiert, als er Zizmo ins Badezimmer folgte. »Was für ein Geschäft ist das?«
»Ich? Ich bin Importeur.«
»Was, weiß ich auch nicht«, antwortete Sourmelina in der Küche. »Importeur eben. Ich weiß nur, dass er Geld nach Hause bringt.«
»Aber wie kannst du einen heiraten, über den du gar nichts weißt?«
»Um aus dem Land rauszukommen, Des, hätte ich auch einen Krüppel geheiratet.«
»Mit Importieren kenne ich mich ganz gut aus«, warf Lefty ein, während Zizmo die sanitären Anlagen erklärte. »In Bursa. In der Seidenindustrie.«
»Euer Mietanteil beträgt zwanzig Dollar.« Zizmo überging die Anspielung. Er zog die Kette, Wasser rauschte.
»Was mich betrifft«, fuhr Lina unten fort, »mir kann ein Ehemann nicht alt genug sein.« Sie öffnete die Tür zur Speisekammer. »Ein junger wäre doch ständig hinter mir her. Das wäre viel zu anstrengend.«
»Schäm dich, Lina.« Aber Desdemona lachte doch. Es war herrlich, ihre Cousine wiederzusehen, ein Stückchen Bithynios war noch intakt. Auch die dunkle Speisekammer, in der Feigen, Mandeln, Walnüsse, Halva und getrocknete Aprikosen lagerten, hellte ihre Stimmung auf.
»Aber wo soll ich denn die Miete herbekommen?«, entfuhr es Lefty, als sie wieder nach unten gingen. »Ich habe kein Geld mehr. Wo kann ich arbeiten?«
»Kein Problem.« Zizmo wedelte mit der Hand. »Ich spreche mal mit ein paar Leuten.« Sie kamen wieder durch die sala. Zizmo blieb stehen und senkte bedeutungsvoll den Blick. »Du hast noch gar nichts zu meinem Zebrafell gesagt.«
»Es ist sehr schön.«
»Habe ich aus Afrika mitgebracht. Selbst erlegt.«
»Du warst in Afrika?«
»Ich war schon überall.«
Wie jeder in der Stadt mussten sie zusammenrücken. Desdemona und Lefty schliefen in einem Zimmer direkt über dem von Zizmo und Lina, und in den ersten Nächten stand meine Großmutter immer wieder auf und legte das Ohr auf den Boden. »Nichts«, flüsterte sie. »Ich hab's dir gesagt.«
»Komm zurück ins Bett«, schalt Lefty. »Das ist deren Sache.«
»Welche Sache? Das sag ich dir doch gerade. Die machen gar keine Sache.«
Während Zizmo im Schlafzimmer darunter über die neuen Gäste oben sprach. »So ein Romantiker! Lernt ein Mädchen auf dem Schiff kennen und heiratet sie. Ohne Mitgift.«
»Manche heiraten eben aus Liebe.«
»Die Ehe ist für den Haushalt und für Kinder da. Dabei fällt mir ein...«
»Bitte, Jimmy, nicht heute Nacht.«
»Wann dann?
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