Middlesex
Fünf Jahre sind wir nun verheiratet, und keine Kinder. Immer bist du krank, müde, dies und das. Hast du das Rizinusöl genommen?«
»Ja.«
»Und das Magnesium?«
»Ja.«
»Gut. Wir müssen bei dir den Gallensaft reduzieren. Wenn die Mutter zu viel Galle hat, fehlt es dem Kind an Energie und es gehorcht seinen Eltern nicht.«
»Gute Nacht, kyrie.«
»Gute Nacht, kyria.«
Noch vor Ablauf der Woche waren alle Fragen meiner Großeltern über Sourmelinas Heirat beantwortet. Weil er so alt war, behandelte Jimmy Zizmo seine junge Braut mehr wie eine Tochter als eine Ehefrau. Immerzu sagte er ihr, was sie tun dürfe und was nicht, stöhnte über Preis und Ausschnitt ihrer Kleider, sagte ihr, wann sie ins Bett gehen, aufstehen, sprechen, schweigen solle. Er verweigerte ihr die Auto schlüssel, aber dann entlockte sie sie ihm mit Küssen und Liebkosungen. Seine Ernährungsscharlatanerie ging sogar so weit, dass er ihre Regel wie ein Arzt überwachte, und manche ihrer größten Kräche rührten daher, dass er Lina über ihren Stuhl ausfragte. Und eine sexuelle Beziehung, ja, die hatte es gegeben, wenn auch nicht mehr in letzter Zeit. Während der vergangenen fünf Monate hatte Lina über Phantasieleiden geklagt und lieber die Kräuterkuren ihres Mannes als seine amourösen Aufmerksamkeiten über sich ergehen lassen. Zizmo wiederum hegte vage Yoga-Ansichten über den geistigen Nutzen der Enthaltsamkeit und war daher bereit zu warten, bis die Lebenskraft seiner Frau wiederkehrte. Das Haus war ebenso nach Geschlechtern aufgeteilt wie die Häuser in der patrida, dem alten Land, die Männer in der sala, die Frauen in der Küche. Zwei Sphären mit unterschiedlichen Belangen, Pflichten, sogar - wie Evolutionsbiologen sagen würden Gedankenmustern. Lefty und Desdemona, gewohnt, im eigenen Haus zu leben, waren gezwungen, sich den Gepflogenheiten ihres neuen Hausherrn anzupassen. Außerdem brauchte mein Großvater Arbeit.
Damals konnte man in vielen Autofabriken arbeiten. Es gab Chalmers, Metzger, Brush, Columbia und Flanders. Es gab Hupp, Paige, Hudson, Krit, Saxon, Liberty, Rickenbacker und Dodge. Jimmy Zizmo aber hatte Verbindungen zu Ford.
»Ich bin Zulieferer«, sagte er.
»Wovon?«
»Allerlei Brennstoffen.«
Sie saßen wieder im Packard, der auf schmalen Reifen vibrierte. Leichter Sprühregen fiel. Lefty blickte angestrengt durch die beschlagene Windschutzscheibe. Stück um Stück, während sie die Michigan Avenue entlangfuhren, nahm er einen Monolithen wahr, der in der Ferne aufragte, ein Gebäude gleich einer gigantischen Kirchenorgel, deren Pfeifen gen Himmel strebten.
Auch einen Geruch: den gleichen Geruch, der Jahre später flußaufwärts waberte und mich im Bett oder auf dem Hockeyplatz antraf. Genau wie meine ähnlich gekrümmte Nase schlug die meines Großvaters Alarm. Seine Nasenflügel weiteten sich. Er sog die Luft ein. Anfangs ließ sich der Geruch noch zuordnen, zum organischen Reich fauler Eier und Dung. Doch einige Sekunden später versengten ihm die chemischen Bestandteile des Geruchs die Nase, und er bedeckte sie mit einem Taschentuch.
Zizmo lachte. »Keine Sorge. Daran gewöhnst du dich.«
»Nein, bestimmt nicht.«
»Soll ich dir was verraten?«
»Na?«
»Nicht atmen.«
Als sie die Fabrik erreicht hatten, ging Zizmo mit ihm ins Personalbüro.
»Wie lange lebt er schon in Detroit?«, fragte der Leiter.
»Ein halbes Jahr.«
»Können Sie das bestätigen?«
Zizmo sprach nun gedämpft. »Ich könnte Ihnen die notwendigen Unterlagen zu Hause vorbeibringen.«
Der Personalleiter schaute sich um. »Old Log Cabin?«
»Nur der Beste.«
Der Boss schob die Unterlippe vor, musterte meinen Großvater. »Wie ist sein Englisch?«
»Nicht so gut wie meines. Aber er lernt schnell.«
»Er muss den Kurs machen und bestehen. Sonst wird das nichts.«
»Abgemacht. Und wenn Sie nun Ihre Privatadresse aufschreiben wollen, können wir eine Lieferung terminieren. Montagabend, sagen wir gegen halb neun, würde das passen?«
»Kommen Sie an die Hintertür.«
Das kurze Beschäftigungsverhältnis meines Großvaters bei der Ford Motor Company, es war das einzige Mal, dass ein Stephanides je in der Autoindustrie gearbeitet hat. Statt von Autos wurden wir Hersteller von Hamburgern und griechischem Salat, Industrielle von Spanikopita und gegrillten Käsesand wichs, Technokraten von Reispudding und Bananensahne kuchen. Unser Fließband war der Grill, unser Maschinenpark der Siphon. Dennoch, jene fünfundzwanzig
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