Midkemia Saga 01 - Der Lehrling des Magiers
die Armeen des Westens zusammenzurufen, solange er nicht die Erlaubnis des Königs hat.«
»Das verstehe ich nicht. Kann denn der Prinz die Armeen des Westens nicht so befehligen, wie er es für richtig erachtet?«
»Nicht mehr. Vor weniger als einem Jahr hat der König Nachricht gesandt, daß die Armeen nicht ohne seine Erlaubnis gerufen oder befehligt werden dürfen.« Arutha lehnte sich in seinem Sessel zurück, während Kulgan eine dicke Rauchwolke ausblies. »Es ist eine Verletzung der Tradition. Nie zuvor hatten die Armeen des Westens einen anderen Kommandeur als den Prinzen von Krondor, so wie die Armeen des Ostens dem Befehl des Königs unterstehen.«
Pug war sich immer noch nicht über die Bedeutung all dessen im klaren.
Kulgan sagte: »Der Prinz ist der königliche Generalmarschall im Westen, der einzige Mann, abgesehen vom König, der Herzog Borric und den anderen Generalen Befehle geben darf. Sollte er rufen, würde jeder Herzog von Crydee bis zu Malacs Kreuz darauf reagieren. Sie würden umgehend mit ihren Garnisonen anrücken. König Rodric hat nun, aus nur ihm bekannten Gründen, beschlossen, daß niemand ohne sein Einverständnis die Armeen zusammenrufen kann.«
»Vater würde auf den Ruf des Prinzen hin kommen, ganz gleich, wie die anderen Herzöge auch reagieren mögen«, meinte Arutha.
Kulgan nickte. »Das könnte es sein, was der König fürchtet, denn die Armeen des Westens sind seit langem mehr die des Prinzen als die des Königs gewesen.
Wenn Euer Vater ruft, würden sich die meisten versammeln, denn sie verehren ihn fast so sehr wie Erland. Und wenn der König nein sagen sollte…« Er beendete den Satz nicht.
Arutha nickte. »Zwist im Königreich.«
Kulgan betrachtete seine Pfeife. »Vielleicht sogar bis hin zum Bürgerkrieg.«
Die Unterhaltung beunruhigte Pug. Er war noch immer ein Burgjunge, trotz seines neu errungenen Titels. »Selbst wenn es um die Verteidigung des Königreiches geht?«
Kulgan schüttelte langsam den Kopf. »Selbst dann. Für manche Männer, und dazu zählen auch Könige, ist es ebenso wichtig, wie die Dinge gehandhabt werden, wie die Tat selber.« Kulgan machte eine kurze Pause. »Herzog Borric wird nicht darüber sprechen. Zwischen ihm und gewissen Herzögen des Ostens hat es schon lange Ärger gegeben, vor allem mit seinem Vetter, Guy du Bas-Tyra. Dieser Zwist zwischen dem Prinzen und dem König wird die Spannung zwischen West und Ost nur noch verstärken.«
Pug lehnte sich zurück. Er wußte, daß das alles wichtiger war, als ihm jetzt klar war, aber er begriff einfach nicht alles. Wie konnte der König etwas dagegen haben, daß der Prinz die Armeen zusammenrief, um das Königreich zu verteidigen? Das gab für ihn einfach keinen Sinn, obwohl Kulgan sich bemühte, es ihm zu erklären. Und überhaupt: Von welchem Ärger im Osten wollte Herzog Borric nicht sprechen?
Der Magier erhob sich. »Wir müssen morgen früh aufstehen, also sollten wir jetzt besser schlafen gehen. Es wird ein langer Ritt nach Salador, und danach eine lange Schiffsreise nach Rillanon werden. Bis wir den König erreicht haben, wird schon der erste Tau auf Crydee liegen.«
Prinz Erland wünschte der Gesellschaft eine gute Reise, als sie ihre Pferde im Hof des Palastes bestiegen. Er sah bleich und tief besorgt aus, als er ihnen alles Gute wünschte.
Die kleine Prinzessin stand an einem Fenster im Obergeschoß und winkte Pug mit einem winzigen Taschentuch. Pug fühlte sich an eine andere Prinzessin erinnert und fragte sich, ob Anita zu einer zweiten Carline heranwachsen oder ausgeglichener sein würde.
Sie ritten aus dem Hof hinaus, wo eine Eskorte königlicher, krondorianischer Lanzer bereit stand, um sie nach Salador zu begleiten. Der Ritt über die Berge und durch die Marschen von Düstermoor würde drei Wochen dauern, vorbei an Malacs Kreuz - dem Punkt, an dem sich das westliche und das östliche Reich teilten - und weiter nach Salador. Dort würden sie ein Schiff besteigen, und nach weiteren zwei Wochen sollten sie dann Rillanon erreichen.
Als sie die Stadt verließen, begann es wieder einmal zu schneien, und Pug fragte sich, ob er jemals den Frühling in Crydee wiedersehen würde. Still saß er auf seinem Pferd, als es auf der Straße gen Osten dahintrottete. Er versuchte, die Eindrücke der letzten paar Wochen zu verarbeiten. Er gab es aber bald auf und überließ sich dem, was immer geschehen würde.
Der Ritt nach Salador dauerte vier Wochen statt der vorgesehenen drei, denn
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