Midkemia Saga 01 - Der Lehrling des Magiers
Haushofmeister, ein alter, vertrockneter, stocksteifer Mann mit schnellem Auge, kannte jeden Adligen, der es wert war, bemerkt zu werden - von den Grenzen Keshs im Süden bis nach Tyr-Sog im Norden - von Angesicht. Sein Gedächtnis von Gesichtern, Namen und Ereignissen hatte Herzog Kerus schon häufig vor Verlegenheiten bewahrt. Als Borric schließlich vom Hof aus die Treppe erklommen hatte, hatte der Haushofmeister Kerus bereits mit einigen persönlichen Fakten versehen und ihm erklärt, welche Höflichkeit erforderlich war.
Herzog Kerus ergriff Borrics Hand. »Ah, Lord Borric, Euer unerwarteter Besuch ist mir eine große Ehre. Wenn Ihr Euer Kommen nur angekündigt hättet. Ich hätte eine angemessenere Begrüßung für Euch vorbereitet.«
Sie betraten das Vorzimmer des Palastes. Die Herzöge gingen voran. Borric meinte: »Es tut mir leid, Lord Kerus. Aber leider ist unsere Mission von großer Wichtigkeit und Eile. So müssen die üblichen Höflichkeiten beiseite geschoben werden. Ich überbringe Nachrichten für den König und muß so bald wie möglich nach Rillanon in See stechen.«
»Natürlich, Lord Borric. Aber Ihr werdet doch sicher eine kurze Weile bleiben können, sagen wir, ein oder zwei Wochen?«
»Ich bedaure, nein. Wenn ich könnte, würde ich noch heute nacht in See stechen.«
»Das sind allerdings traurige Nachrichten. Ich hatte so sehr gehofft, daß Ihr eine Weile unser Gast sein würdet.«
Die Gruppe erreichte den Audienzsaal des Herzogs, wo der Haushofmeister einer Anzahl von Hausbediensteten Anweisungen gab. Sofort eilten sie davon, um Gemächer für die Gäste vorzubereiten. Als er die riesige Halle mit der hohen, gewölbten Decke, den gigantischen Lüstern und den enormen, gebogenen Glasfenstern betrat, fühlte sich Pug darin wie ein Zwerg. Der Raum war der größte, den er jemals gesehen hatte, größer noch als die Halle des Prinzen von Krondor.
Ein riesiger Tisch war mit Früchten und Wein beladen, und die Reisenden fielen mit Appetit darüber her. Pug setzte sich ohne viel Grazie. Sein ganzer Körper schmerzte.
Lord Kerus drang in den Herzog, um die Ursache für dessen eilige Reise zu erfahren. Zwischen Essen und Trinken weihte ihn Borric in die Geschehnisse der vergangenen drei Monate ein. Als er geendet hatte, schien Kerus betrübt.
»Das sind wahrhaftig ernste Nachrichten, Lord Borric. In diesem Königreich ist vieles ungeregelt. Ich bin überzeugt davon, daß der Prinz Euch einiges über den Ärger erzählt hat, der sich ausgebreitet hat, seit Ihr das letzte Mal im Osten gewesen seid.«
»Ja, allerdings. Aber er schien zu zögern, gewisse Ärgernisse etwas ausführlicher zu besprechen. Vergeßt nicht, es sind mehr als dreizehn Jahre vergangen, seit ich das letzte Mal eine Reise in die Hauptstadt gemacht habe.
Damals übernahm Rodric die Krone, und ich kam, um ihm die Ehre zu erweisen, die ihm gebührte.«
»Lord Borric, ein großer Wandel ist mit unserem König vorgegangen, seit er regiert. Ich bin sicher, der Prinz hat Euch nicht die ganze Geschichte erzählt, aber Ihr müßt sie kennen, ehe Ihr dem König gegenübertretet.
Als der König starb, erwartete man überall, daß sein Bruder Erland die Krone übernehmen würde. Aber als sie dem Prinzen von Krondor angeboten wurde, lehnte er ab und trat seinen Anspruch an Rodric ab. Zu jener Zeit wußten nur wenige von Erlands schlechter Gesundheit, und die Männer fanden seine Entscheidung sehr merkwürdig. Einige allerdings hielten sie auch für weise, denn Rodric war der einzige Sohn des Königs. Der versammelte Kongreß wählte also Rodric zum König, mit dem Onkel Eurer verstorbenen Gemahlin, Caldric aus Rillanon, als königlichem Regenten.«
Borric nickte. Er erinnerte sich noch gut an den Kampf, wer zum Regenten des damaligen Knaben-Königs ernannt werden sollte. Sein verachteter Vetter Guy hätte die Position fast für sich gewonnen. Aber Borric war gerade noch rechtzeitig eingetroffen und hatte Caldric unterstützt. Zusammen mit der Hilfe von Herzog Brucal aus Yabon und Prinz Erland hatte das die Majorität der Stimmen im Kongreß in eine andere Richtung gelenkt.
»In den ersten fünf Jahren von Rodrics Herrschaft gab es keine Schwierigkeiten im Königreich, sondern nur einen gelegentlichen Zusammenstoß an den Grenzen mit Kesh. Vor acht Jahren nun«, Kerus unterbrach sich, um an seinem Wein zu nippen, »begann Rodric mit einem Programm für öffentliche Verbesserungen, wie er es nennt. Er baute Straßen, Dämme und
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