Midkemia Saga 01 - Der Lehrling des Magiers
Moredhel sammelten sich die Tsuranis erneut auf dem Feld vor dem Schloß. Wieder hatten sie Verstärkung aus dem Osten erhalten. Botschaften, die von Tauben zwischen Arutha und seinem Vater hin- und hergetragen wurden, berichteten von verstärkten Kämpfen entlang der östlichen Front. Lord Borric war der Ansicht, daß Crydee von Truppen belagert wurde, die frisch aus der Heimat der Tsuranis entsandt worden waren, denn es hatte keine Berichte von Truppenbewegungen entlang seiner Front gegeben. Andere Nachrichten erreichten Arutha aus Tulan und Carse. Baron Tolburts Soldaten hatten Tulan zwei Tage nach Erhalt von Aruthas Bericht verlassen. Seine Flotte sollte sich mit Baron Bellamys in Carse vereinen.
In ein bis zwei Wochen, je nach Wind, sollten die Schiffe eintreffen.
Arutha stand auf seinem üblichen Platz auf der Westmauer mit Martin Langbogen an seiner Seite. Sie sahen zu, wie die Tsuranis ihre Plätze einnahmen, als die Sonne im Westen versank und die Landschaft in einen scharlachroten Schimmer tauchte.
»Es scheint so, als ob sie diese Nacht in voller Stärke angreifen wollten«, sagte Arutha.
»Sie scheinen das Gebiet von problematischen Nachbarn gereinigt zu haben, wenigstens vorübergehend. Die Moredhel haben uns ein wenig Zeit verschafft, Hoheit, mehr aber auch nicht.«
»Ich frage mich, wie viele von ihnen wohl die Nordlande erreichen werden.«
Langbogen zuckte mit den Schultern. »Einer von fünfen vielleicht. Vom Grünen Herzen bis zu den Nordlanden ist es schon unter normalen Umständen eine lange, beschwerliche Reise. Aber jetzt…« Seine Stimme erstarb.
Gardan kam die Treppe herauf. »Hoheit, der Wachtposten auf dem Turm berichtet, daß die Tsuranis sich formieren.«
Noch während er sprach, ertönte der Schlachtruf der Tsuranis und sie begannen den Vormarsch. Arutha zog sein Schwert und gab Befehl, die Wurfmaschinen abzufeuern. Anschließend ließen die Bogenschützen einen Sturm von Pfeilen auf die Angreifer herabregnen. Aber immer noch kamen die Tsuranis.
Die ganze Nacht über brandete eine Welle nach der anderen von Fremden in bunten Rüstungen an die Westmauer von Burg Crydee. Die meisten der Angreifer starben auf dem Feld am Fuße der Mauer, aber einigen wenigen gelang es, die Zinnen zu übersteigen. Auch sie starben. Aber es kamen immer noch mehr.
Sechsmal war der Angriff der Tsuranis zurückgeschlagen worden, und jetzt bereiteten sie sich auf den siebten Sturm vor. Arutha, von Schmutz und Blut bedeckt, lenkte die Aufstellung der ausgeruhten Truppen entlang der Mauer.
Gardan schaute nach Osten. »Wenn wir noch einen weiteren Angriff abhalten, wird der Morgen anbrechen. Dann sollte uns eine Pause vergönnt sein«, erklärte er. Seine Stimme war schwer vor Müdigkeit. »Wir werden standhalten«, antwortete Arutha. Seine eigene Stimme klang in seinen Ohren ebenso müde wie die Gardans.
»Arutha?«
Arutha sah Roland und Amos die Treppe heraufkommen. Ein anderer Mann folgte ihnen. »Was gibt es?« fragte der Prinz.
»An den anderen Mauern rührt sich nichts, aber hier ist etwas, das du sehen solltest«, antwortete Roland.
Arutha erkannte den anderen Mann. Es war Ludwig, der Rattenfänger der Burg. Er war dafür verantwortlich, Ungeziefer von der Burg fernzuhalten. Er hielt vorsichtig etwas in der Hand.
Arutha sah genauer hin. Es war ein Frettchen. Im Schein des Feuers konnte er es zucken sehen. »Hoheit«, sagte Ludwig, und seine Stimme klang gefühlvoll und traurig, »es ist -«
»Was denn, Mann?« fragte Arutha ungeduldig. Der Angriff würde gleich beginnen. Da hatte er keine Zeit, den Verlust eines geliebten Tieres zu betrauern.
Roland sprach, denn Ludwig war offensichtlich vom Verlust seines Frettchens zu sehr betroffen. »Die Frettchen des Rattenfängers sind vor zwei Tagen nicht zurückgekehrt. Irgendwann ist dieses hier in den Vorratsraum hinter der Küche gekrabbelt. Duren hat es vor wenigen Minuten dort gefunden.«
Mit erstickter Stimme sagte Ludwig: »Sie sind alle sehr gut abgerichtet, Herr.
Wenn sie nicht wiedergekommen sind, dann nur, weil etwas sie daran gehindert hat. Dieser arme Kerl hier ist getreten worden. Sein Rückgrat ist gebrochen. Er muß stundenlang gekrochen sein, um heimzukommen.«
»Ich kann nicht verstehen, was das bedeuten soll.«
Roland packte den Prinzen am Arm. »Arutha, er jagt in den Rattengängen unter der Burg.«
Langsam dämmerte es Arutha. »Sappeure! Die Tsuranis müssen sich unter der Ostmauer hindurchgraben.«
»Das würde auch die
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