Midkemia Saga 01 - Der Lehrling des Magiers
Zaumzeug. Die Pferde schienen überhaupt nicht erhitzt, ihr Fell schimmerte sanft. Pug hätte nicht sagen können, ob das am grauen Nachmittagslicht lag oder ob ein Zauberspruch diesen Glanz hervorgerufen hatte. Der Anführer ritt ein besonders großes Tier, ganze sechzehn Hand in der Höhe, mit einer langen, fließenden Mähne und einem Schwanz wie eine Straußenfeder. Zur Begrüßung ließen die Reiter ihre Pferde sich aufbäumen, und man konnte hören, wie die Menge die Luft anhielt.
»Elbenrosse«, hauchte Tomas voll Ehrfurcht. Die Pferde waren die legendären Tiere der Elben. Martin Langbogen hatte den Jungs einmal erzählt, daß sie auf versteckten, tief im Wald verborgenen Schneisen nahe Elvandar hausten. Es hieß, daß sie über Intelligenz und Magie verfügten, und kein Mensch konnte auf ihrem Rücken sitzen. Man sagte auch, daß nur jemand mit königlichem Elbenblut ihnen befehlen konnte, Reiter zu tragen.
Stallknechte eilten herbei, um die Pferde in Empfang zu nehmen, aber eine singende Stimme erklärte: “Das ist nicht nötig.« Sie kam von dem ersten Reiter, der auf dem größten Tier saß. Er sprang geschmeidig und ohne Hilfe ab, landete auf den Füßen und warf die Kapuze zurück. Jetzt erst erkannte man, daß es sich um eine Frau handelte, mit einer Mähne aus dichtem, rötlichem Haar. Selbst im Dämmerlicht dieses verregneten Nachmittags schien das Haar goldene Strähnen zu haben. Die Frau war groß, fast so wie Borric. Sie stieg die Treppe hinauf, als der Herzog vortrat, um sie zu begrüßen.
Borric streckte ihr beide Hände entgegen, »Willkommen, Mylady. Es ist für mich und mein Haus eine große Ehre.«
Die Elbenkönigin entgegnete: »Ihr seid sehr freundlich, Lord Borric.« Ihre Stimme war voll und überraschend klar. Sie war im ganzen Hof zu hören, Pug fühlte, wie sich Tomas’ Hand in seine Schulter bohrte. Als er sich umwandte, zeigte das Gesicht von Tomas einen verzückten Ausdruck. »Sie ist wunderschön«, sagte der größere Junge.
Pug wandte seine Aufmerksamkeit wieder der Willkommensszene zu. Er mußte zugeben, daß die Königin der Elben wirklich schön war, wenn auch nicht im menschlichen Sinne. Ihre Augen waren groß und blaßblau und leuchteten fast in der Düsternis. Ihr Gesicht war scharf geschnitten, hatte hohe Wangenknochen und ein kräftiges, aber nicht maskulines Kinn. Ihr Lächeln war warm, ihre Zähne leuchteten weiß zwischen fast roten Lippen. Sie trug einen schlichten Goldreif um die Stirn, der ihr Haar zurückhielt und die läppchenlosen, spitzen Ohren enthüllte, die ihre Rasse kennzeichneten.
Die anderen in ihrer Gesellschaft stiegen ebenfalls ab. Elf Reiter begleiteten die Königin. Sie sahen sich alle sehr ähnlich, waren groß, jugendlich und hatten geschmeidige Bewegungen.
Die Königin wandte sich vom Herzog ab und sagte etwas in ihrem singenden Ton. Die elf Pferde bäumten sich zum Gruß auf und eilten dann durch das Tor, an den überraschten Zuschauern vorüber. Der Herzog führte seine Gäste ins Haus, und bald zerstreute sich die Menge. Tomas und Pug saßen schweigend im Regen.
»Selbst, wenn ich hundert Jahre alt werde, werde ich wohl nie wieder jemanden sehen, der ihr ähnelt«, meinte Tomas.
Pug war überrascht, denn sein Freund zeigte nur selten derlei Gefühle. Er verspürte einen kurzen Impuls, Tomas wegen seiner jungenhaften Verliebtheit zu necken, aber irgend etwas im Ausdruck seines Kameraden ließ das als unpassend erscheinen. »Komm«, sagte er nur, »wir werden ganz naß.«
Tomas folgte Pug vom Wagen. »Du solltest besser etwas Trockenes anziehen und versuchen, dir einen Überwurf zu leihen.«
»Warum?« wollte Tomas wissen.
Mit teuflischem Grinsen antwortete Pug: »Warum? Hab’ ich es dir denn nicht gesagt? Der Herzog möchte, daß du mit dem Hofstaat speist. Er möchte, daß du der Elbenkönigin erzählst, was du auf dem Schiff gesehen hast.«
Tomas sah aus, als würde er gleich explodieren. »Ich? In der großen Halle speisen?« Sein Gesicht wurde weiß. »Reden? Zu der Königin?«
Pug lachte. »Das ist leicht. Du öffnest den Mund, und die Worte kommen heraus.«
Tomas holte aus, aber Pug unterlief seinen Schlag und packte seinen Freund von hinten, als ihn sein eigener Schwung mitriß. Pug hatte Kraft in den Armen, wenn er auch nicht so groß war wie sein Freund, und jetzt hob er Tomas mit Leichtigkeit vom Boden hoch. Tomas wehrte sich, und bald darauf lachten sie beide. »Pug, laß mich runter.«
»Nicht, ehe du dich beruhigt
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