Midkemia Saga 01 - Der Lehrling des Magiers
sie sich über den Kopf. Während er mit dem Hemd kämpfte, verflogen auch die letzten Spuren seines alkoholischen Nebels. »Gott!« flüsterte er schmerzerfüllt.
»Wenn dein Vater davon erfährt, reißt er mir den Kopf ab.«
»Nicht, wenn du schlau genug bist, leise zu sprechen«, antwortete sie und sah ihn trotzig an. Sie klopfte neben sich auf die Schlafstatt. »Komm, setz dich her.«
Er gehorchte und versuchte das Gefühl zu ignorieren, daß sein Schicksal - ein abrupt abgebrochenes, überaus kurzes Leben - von diesem launenhaften Mädchen bestimmt wurde. Er landete mehr neben ihr, als daß er sich setzte. Sie kicherte über sein Stöhnen. »Carline, warum bist du hergekommen?«
Sie kümmerte sich nicht um seine Frage. »Was habt ihr, du und Roland, heute nachmittag getan? Gekämpft?« Er nickte. »Meinetwegen?« fragte sie, und ihre Augen schimmerten.
Pug seufzte. »Ja, Euretwegen.« Ihr zufriedener Ausdruck über seine Antwort erzürnte ihn, und Wut sprach aus seiner Stimme. »Carline, Ihr habt ihn gemein ausgenützt.«
»Er ist ein Idiot!« schimpfte sie. »Wenn ich ihn bitten würde, von der Mauer zu springen, dann würde er das tun.«
»Carline« - Pug wimmerte fast - »warum habt -«
Seine Frage wurde unterbrochen, als sie sich vorbeugte und seinen Mund mit ihrem eigenen bedeckte. Der Kuß war einseitig, denn Pug war zu verblüfft, um reagieren zu können. Sie lehnte sich schnell zurück, ließ ihn gaffen und fragte: »Nun?«
»Was?«
Ihre Augen blitzten. »Der Kuß, du Dummkopf.«
»Oh!« machte Pug, der noch immer unter Schock stand. »Das war… ganz nett.«
Sie sprang auf und schaute auf ihn nieder, die Augen vor Wut und Verlegenheit aufgerissen. Sie verschränkte die Arme und tippte mit der Fußspitze auf den Boden. Es hörte sich wie das Schlagen von Sommerregen an die Fensterläden an. Ihr Ton war leise und rauh. »Nett! Ist das alles, was du dazu zu sagen hast?«
Pug beobachtete sie und eine Vielfalt von widersprüchlichen Gefühlen wallte in ihm auf. In diesem Augenblick lag seine Panik im Wettstreit mit der nahezu schmerzlichen Erkenntnis, wie reizend sie in dem schwachen Schein der Laterne aussah. Ihre Züge waren lebhaft. Seine eigene Verwirrung ließ seine Haltung unbeabsichtigt oberflächlich erscheinen, was ihren Trotz aber nur noch mehr anfachte. »Du bist der erste Mann - abgesehen von meinem Vater und meinen Brüdern -, den ich je geküßt habe, und alles, was du dazu sagen kannst ist >nett<.«
Pug war nicht in der Lage, klar zu sehen. Noch immer von einem Tumult seiner Gefühle erfüllt, platzte er heraus: »Sehr nett.«
Sie stemmte die Hände in die Hüften - was ihr Nachthemd in beunruhigende neue Falten legte - und starrte mit offenem Unglauben auf ihn hernieder.
Mühsam beherrscht sagte sie dann: »Ich komme hierher und werfe mich dir an den Hals. Ich riskiere es, mein Leben lang in ein Konvent gesperrt zu werden!« Pug fiel auf, daß sie nicht von dem Schicksal sprach, das ihn möglicherweise ereilen würde. »Jeder andere Knabe - und eine ganze Anzahl älterer Adliger - im Westen überschlägt sich förmlich, um meine Aufmerksamkeit zu erringen. Und du behandelst mich bloß wie eine Küchenschlampe, wie eine kleine Unterhaltung für den jungen Lord.«
Pugs Verstand kehrte langsam zurück. Dies geschah weniger aus eigenem Antrieb, sondern weil ihm plötzlich bewußt wurde, daß Carline aufgeregter war, als es nötig gewesen wäre. Er begriff plötzlich, daß sich unter ihren ehrlichen Zorn eine ganze Portion Sinn für Dramatik gemischt hatte, und sagte:
»Carline, warte. Gib mir einen Moment Zeit.«
»Einen Moment! Ich habe dir Wochen gegeben. Ich dachte… nun ja, ich dachte, wir hätten ein Abkommen.«
Pug versuchte, mitleidig auszusehen, während sein Verstand fieberhaft arbeitete. »Setz dich, bitte. Laß mich versuchen, es dir zu erklären.«
Sie zögerte, ließ sich dann aber wieder neben ihm nieder. »Carline, ich habe dich sehr gern. Manchmal glaube ich sogar, ich liebe dich ebensosehr, wie Roland es tut. Aber meistens werde ich nur verwirrt, wenn du in meiner Nähe bist. Das ist das Problem: In mir ist so viel Verwirrung. Die meiste Zeit verstehe ich nicht, was ich empfinde.« Bei diesen Worten sah er Verstehen in ihren Augen aufflackern, und er fuhr eilig fort: »Ich habe jetzt zwei Aufgaben, die beide neu für mich sind. Ich werde vielleicht kein Magier, trotz Kulgans Bemühungen, mich dazu zu machen, denn ich habe Probleme bei meiner Arbeit. Ich
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