Midkemia Saga 02 - Der verwaiste Thron
erklärt mir das.«
Mit hochgezogener Braue schaute Laurie Pug an. Obwohl er sich in der Politik des Königreiches auch nicht besser auskannte als Laurie, schien er doch eher in der Lage zu sein, es zu erklären. »Der Kongreß wählt den König. Aber eigentlich ist das nur eine Formsache.«
»Form?«
»Nun ja, Tradition. Der Thronerbe wird immer gewählt, außer wenn es keinen klaren Nachfolger gibt. Das hält man für die beste Art, einen Bürgerkrieg zu unterbinden, denn die Entscheidung des Kongresses ist endgültig.« Er erklärte, wie der Prinz von Krondor hinter seinem Neffen zurückgetreten war, und wie der Kongreß sich seinen Wünschen gebeugt hatte. »Wie ist das denn im Kaiserreich?«
Kasumi überlegte. »Eigentlich gar nicht so viel anders. Jeder Kaiser wird von den Göttern erwählt. Aber nach allem, was ihr mir erzählt habt, ist er nicht wie euer König. Er herrscht in der Heiligen Stadt, aber seine Führung ist geistiger Art. Er schützt uns vor dem Zorn der Götter.«
»Aber wer regiert dann?« wollte Laurie wissen.
Sie hatten den Stall erreicht, und Kasumi nahm den Sattel und das Zaumzeug ab und fing an, das Pferd trockenzureiben. »Da ist es anders als bei euch.« Er schien Schwierigkeiten mit dem Ausdruck zu haben und wechselte in die Tsurani-Sprache über. »Jede Familie gehört einem Clan an. In diesem verfügt jeder Herr über eine gewisse Macht. Die Shinzawai gehören zum Clan der Kanazawai. In diesem sind wir nach den Keda die zweitmächtigste Familie. In seiner Jugend war mein Vater Kommandeur der Armee des Clans, ein General, wie ihr ihn nennen würdet. Die Stellung der Familien ändert sich von Generation zu Generation. So ist es unwahrscheinlich, daß auch ich eine so hohe Position erhalten werde. Der führende Gebieter eines jeden Clans gehört dem Hohen Rat an. Dieser wiederum berät den Kriegsherrn. Er regiert im Namen des Kaisers.«
»Beherrscht oder überstimmt der Kaiser den Kriegsherrn tatsächlich manchmal?« fragte Laurie.
»Niemals.«
»Wie wird der Kriegsherr gewählt?« erkundigte sich Pug.
»Das ist schwer zu erklären. Wenn der alte Kriegsherr stirbt, versammeln sich die einzelnen Clans. Das ist eine große Versammlung von Gebietern, denn nicht nur der Rat, sondern die Köpfe aller Familien kommen zusammen. Sie treffen sich und beraten, und manchmal entstehen Blutfehden. Aber am Ende wird immer ein neuer Kriegsherr gewählt.«
Pug strich sich das Haar aus den Augen. »Aber was hält dann den Clan des Kriegsherrn davon ab, dieses Amt für sich zu beanspruchen? Ich meine, wenn er der mächtigste von allen ist.«
Kasumi schien besorgt. »Das ist nicht leicht zu erklären. Ihr müßtet Tsuranis sein, um das zu verstehen. Es gibt Gesetze dafür, aber noch wichtiger sind die Sitten, ganz gleich, wie mächtig ein Clan wird, oder eine Familie in einem Clan. Nur der Gebieter von einer von fünf Familien kann Kriegsherr werden. Diese Familien sind die Keda, Tonmargu, Minwanabi, Oaxatucan und die Xacatecas. Also kommen nur fünf Gebieter in Betracht. Der jetzige Kriegsherr ist ein Oaxatucan.
Also leuchtet das Licht der Kanazawai Clans nur schwach. Sein Clan, die Omechan, ist im Aufsteigen begriffen. Das ist der Lauf der Dinge.«
Laurie schüttelte den Kopf. »Neben diesem ganzen Getue mit Familien und Clans scheint unsere Politik ganz simpel zu sein.«
Kasumi lachte. »Das hat nichts mit Politik zu tun. Das wäre Sache der Parteien.«
»Parteien?« fragte Laurie, der sich offensichtlich von der Unterhaltung hinreißen ließ.
»Es gibt viele Parteien. Das Blaue Rad, die Goldene Blume, das Jade-Auge, die Fortschrittspartei, die Kriegspartei und andere. Familien können unterschiedlichen davon angehören. Jeder versucht, seine eigenen Bedürfnisse zu fördern. Manchmal gehören auch Familien desselben Clans verschiedenen Parteien an. Es kommt auch vor, daß sie sich mit anderen verbünden, wenn es die Situation des Augenblicks erfordern sollte. Dann wieder helfen sie zwei Parteien gleichzeitig oder gar keiner.«
»Das scheint eine ausgesprochen unsichere Regierung zu sein«, bemerkte Laurie.
Kasumi lachte. »Sie besteht seit mehr als zweitausend Jahren. Wir haben ein altes Sprichwort:
›Im Hohen Rat gibt es keinen Bruder.‹ Wenn du das nicht vergißt, verstehst du es vielleicht.«
Pug überlegte seine nächste Frage sorgfältig. »Meister, bei dem habt Ihr nicht ein einziges Mal die Erhabenen erwähnt. Wieso nicht?« Kasumi hörte auf, das Pferd zu striegeln, und
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