Midkemia Saga 02 - Der verwaiste Thron
nicht König Martin? Und dann wieder fragt ein anderer Teil in mir, ob Vater mir das auferlegt hat, weil er wußte, daß ich eines Tages König werden müßte. Oh, Pug, was ist denn nur meine Pflicht?«
»Das ist etwas, was jeder von uns allein für sich entscheiden muß. Ich kann dir keinen Rat anbieten.«
Martin beugte sich vor, über die Mauer hinweg, und bedeckte sein Gesicht mit beiden Händen.
»Ich glaube, ich möchte jetzt lieber für eine Weile allein sein, wenn du erlaubst.«
Pug zog sich zurück. Er wußte, daß ein besorgter Mann über sein Schicksal nachdachte. Und über das Schicksal des Königreichs.
Pug fand Katala bei Laurie und Kasumi. Sie unterhielten sich mit Herzog Brucal und Graf Vandros. Als er näher kam, konnte er den Herzog sagen hören: »Also wird es endlich eine Hochzeit geben, jetzt, wo dieser junge, begriffstutzige Kerl« – er wies auf Vandros – »endlich um die Hand meiner Tochter angehalten hat. Vielleicht bekomme ich also doch noch ein paar Enkelkinder, ehe ich sterbe. Das kommt davon, wenn man so viele Jahre wartet, ehe man heiratet. Man ist alt, ehe seine Kinder heiraten.« Er neigte den Kopf, als er Pug sah. »Ah, Magier, da seid Ihr ja.«
Katala lächelte, als sie ihren Ehemann erblickte. »Hattet die Prinzessin und du eine hübsche Wiedervereinigung?«
»Sehr hübsch.«
Sie bohrte einen Zeigefinger in seine Brust. »Und wenn wir allein sind, wirst du mir jedes einzelne Wort wiederholen.«
Die anderen lachten über Pugs Verlegenheit, obwohl ihm klar war, daß sie nur einen Scherz mit ihm machte.
»Ach, Magier, Eure Gemahlin ist so reizend. Ich wünschte, ich wäre noch einmal sechzig.«
Brucal zwinkerte Pug zu. »Dann würde ich sie Euch rauben, und zum Teufel mit dem Skandal.« Er nahm Pug beim Arm und sagte zu Katala: »Wenn Ihr mir verzeiht, meine Dame, so werde ich statt dessen einen Augenblick der Zeit Eures Gatten rauben.«
Er steuerte Pug von der überraschten Gruppe fort. Als sie außer Hörweite waren, meinte er: »Ich habe schlimme Nachrichten.«
»Ich weiß.«
»Lyam ist ein Narr, ein edler Narr.« Er schaute kurz fort, und ein Schleier der Erinnerung legte sich über seine Augen. »Aber er ist seines Vaters Sohn, und ebenso seines Großvaters Enkelsohn, und wie die beiden hat auch er einen ausgeprägten Sinn für Ehre.« Die alten Augen blickten wieder scharf. »Dennoch wünschte ich, sein Sinn für seine Pflicht wäre ebenso klar.« Er lenkte seine Stimme noch weiter. »Behalte deine Gemahlin in der Nähe. Die Posten in der Halle tragen Purpur und werden ihr Leben lassen, um den König zu verteidigen, wer immer das sein mag. Aber es könnte gefährlich werden. Viele der östlichen Herrscher sind impulsive Männer, die zu sehr daran gewöhnt sind, daß auch ihre kleinsten Forderungen unverzüglich erfüllt werden. Ein paar öffnen vielleicht den Mund und stellen fest, daß sie auf Stahl beißen.
Meine Männer und auch die von Vandros halten sich überall im Palast bereit, während Kasumis Tsuranis auf Lyams Bitte hin draußen bleiben. Den östlichen Herrschern gefällt das gar nicht, aber Lyam ist der Thronerbe, und sie können nicht nein sagen. Zusammen mit denen, die auf unserer Seite stehen, können wir den Palast in unsere Gewalt bringen und auch halten.
Da Bas-Tyra sich immer noch versteckt hält und Richard von Salador tot ist, haben die östlichen Herrscher jetzt ihre Führer verloren. Trotzdem sind genügend von ihnen auf der Insel. Viele Mitglieder ihrer ›Ehrengarden‹ sind in und um die Stadt verteilt, um diese Insel in ein hübsches Schlachtfeld zu verwandeln, wenn es ihnen einfallen sollte, den Palast zu verlassen, ehe ein König ernannt worden ist. Nein, wir halten den Palast. Kein verräterischer Östlicher wird uns verlassen, um mit dem Schwarzen Guy Ränke zu schmieden. Ein jeder wird das Knie vor demjenigen Bruder beugen, der die Krone nimmt.«
Pug war überrascht. »Dann unterstützt Ihr also Martin?«
Die Stimme des alten Brucal wurde rauh und hart, blieb aber immer noch leise. »Niemand wird mein Königreich in einen Bürgerkrieg führen, Magier. Nicht, solange ich noch einen einzigen Atemzug machen kann. Arutha und ich haben miteinander gesprochen. Keinem von uns gefällt das, aber wir sind uns einig in unserem Kurs. Sollte Martin König werden, dann werden sich alle vor ihm neigen. Sollte Lyam die Krone übernehmen, wird Martin ihm Treue schwören oder aber diesen Palast nicht lebend verlassen. Sollte die Krone
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