Midkemia Saga 03 - Die Gilde des Todes
hatten sie sich als Karawanenwächter einen prallen Beutel Silber verdient. Sie waren gleich gekleidet: Lederharnisch, wadenhohe Stiefel. Jeder trug ein Breitschwert an der Seite und hatte sich unter dem Umhang einen Schild um den Rücken geschlungen.
Der größere der beiden, ein Mann mit grauer Strähne im dunklen Haar, bestellte Bier. Der andere, ein hagerer Blonder, schaute sich in der Schankstube um: Jimmy erschrak, als er sah, wie seine Augen sich verengten. Also war auch ihm aufgefallen, daß hier etwas nicht stimmte. Der Blonde sprach leise zu seinem Kameraden. Der Mann mit der grauen Strähne nickte und griff nach dem Bier, das der Wirt ihnen zuschob. Die beiden bezahlten mit Kupferstücken und gingen auf den einzigen freien Tisch zu, der neben Jimmys stand.
Der Grausträhnige wandte sich an den Jungen und fragte: »Ist es in dieser Schenke immer wie in einer Grabkammer?«
Jetzt erst wurde Jimmy klar, was hier falsch war. Die Gardisten waren im Warten in ihre alte Gewohnheit gefallen, leise zu sprechen.
Es fehlte hier an dem in einer Schenke üblichen Stimmengewirr.
Jimmy drückte einen Finger an die Lippen und flüsterte: »Es ist wegen des Sängers.«
Der Grausträhnige wandte den Kopf in die Richtung und hörte Laurie einen Augenblick zu. Laurie war ein begnadeter Unterhalter und war trotz des anstrengenden Tages bei guter Stimme. Als er ein Lied beendete, klopfte Jimmy mit dem Bierkrug auf die Tischplatte und rief: »He, Spielmann, mehr! Mehr!« Er warf ein paar Münzen auf das Podest, auf dem Laurie saß. Einige andere stimmten in seinen Ruf ein, als ihnen nun ebenfalls klar wurde, daß sie sich viel zu ruhig verhalten hatten. Auch weitere Münzen landeten bei Laurie. Als der Sänger daraufhin ein lebhafteres, etwas gewagtes Lied zum besten gab, kam es bald zu dem Stimmengewirr und scheinbar angeregten Gesprächen, wie es in einer Gaststube üblich ist.
Die beiden Fremden lehnten sich zurück, lauschten und wechselten hin und wieder ein Wort. Sie entspannten sich sichtlich, als es in der Schenke offenbar so zuging, wie man es erwarten konnte.
Heimlich beobachtete Jimmy diese Männer am Nebentisch.
Etwas an ihnen paßte nicht und quälte ihn, weil er nicht hätte sagen können, was es war, genau wie es ihm zuvor mit der falschen Stimmung in der Gaststube ergangen war.
Wieder schwang die Tür auf, und ein weiterer Gast trat ein. Er schaute sich um und schüttelte ebenfalls das Wasser vom Kapuzenumhang, nahm das weite Kleidungsstück jedoch nicht ab, ja warf nicht einmal die Kapuze zurück. Er entdeckte Jimmy in der Ecke und schritt auf ihn zu. Ohne gebeten zu werden, rückte er sich einen Stuhl heran und setzte sich zu dem Jungen. Gedämpfter Stimme sagte er: »Hast du einen Namen?«
Jimmy beugte sich vor, als wollte er antworten. Während er es tat, wurde ihm plötzlich viererlei klar. Trotz ihrer unauffälligen Haltung hatten die beiden Männer ihre Schwerter und Schilde dicht bei der Hand und konnten in Sekundenschnelle danach greifen. Sie tranken auch nicht wie Söldner, die nach einer langen Karawanenreise endlich in eine Stadt kommen – tatsächlich hatten sie ihre Krüge kaum berührt. Der neue Gast Jimmy gegenüber hielt eine Hand unter dem Umhang verborgen, und das, seit er die Schenke betreten hatte.
Doch am bedeutungsvollsten von allem war die Tatsache, daß alle drei Männer an ihrer Linken große schwarze Ringe trugen, in die ein Greifvogel graviert war, von derselben Art wie der Anhänger von Lachjacks Begleiter. Jimmys Gedanken überschlugen sich. Er hatte ähnliche Ringe schon gesehen und kannte ihre Verwendung.
Scheinbar umständlich zog Jimmy ein Pergament aus dem Stiefelschaft und schob es über den Tisch, weit rechts von dem Mann, daß dieser etwas unbeholfen die Linke danach ausstrecken mußte, während er seine Rechte weiterhin versteckt hielt. Als seine Finger das Pergament berührten, zog Jimmy seinen Dolch, stach zu und nagelte des Mannes Hand auf die Tischplatte. Der Vermummte erstarrte bei diesem plötzlichen Angriff, dann riß er die Rechte heraus, in der er einen Dolch hielt. Er stach damit nach Jimmy, der sich zurückwarf. Jetzt erst spürte der Mann den Schmerz, und er heulte vor Pein auf. Jimmy, der mit seinem Stuhl nach hinten kippte, brüllte beim Aufschlagen: »Nachtgreifer!«
Plötzlich tat sich was in der Gaststube. Lucas’ Söhne, beide Veteranen der Westarmeen, sprangen über den Schanktisch und landeten auf den vermeintlichen Söldnern, gerade als
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