Midkemia Saga 03 - Die Gilde des Todes
Nacht bei ihr. Nathan befand sich in seinen eigenen Gemächern und wurde von Angehörigen seines Ordens umsorgt.
Alle hier Versammelten hatten die Schrecken der Nacht so mitgenommen, daß sie noch davor zurückscheuten, davon zu sprechen. Laurie überwand seine Benommenheit als erster. Er schob seinen Stuhl zurück und trat an ein Fenster.
Aruthas Blick folgte ihm, aber in Gedanken rang er mit Dutzenden von unbeantwortbaren Fragen. Wer oder was wollte seinen Tod? Und warum? Doch wichtiger als seine eigene Sicherheit war für ihn die Frage, inwieweit Lyam, Carline und die anderen, die bald ankommen würden, durch diese Sache gefährdet sein würden –
und vor allem Anita. Dutzendmal hatte Arutha sich während der vergangenen Stunden gefragt, ob er die Hochzeit nicht lieber verschieben sollte.
Laurie setzte sich auf einen Diwan neben den halbschlafenden Jimmy. Leise fragte er: »Jimmy, woher hast du gewußt, daß Vater Nathan helfen könnte, wo doch die Hohepriesterin hilflos war?«
Jimmy streckte sich und gähnte. »Ich erinnerte mich an etwas aus meiner Jugend.« Gardan mußte bei diesen Worten unwillkürlich lachen. Dadurch lockerte sich die allgemeine Anspannung. Selbst Arutha lächelte leicht. Jimmy fuhr fort. »Ich wurde eine Zeitlang in den Unterricht von Vater Timothy geschickt, einem Geistlichen von Astalon. Hin und wieder wird der eine oder andere Junge dafür ausgewählt. Es ist ein Zeichen, daß die Spötter große Hoffnung in ihn setzen«, erklärte er stolz. »Ich sollte dort nur lesen und schreiben und ein bißchen rechnen lernen, aber so nebenbei lernte ich noch ein wenig mehr.
Ich erinnere mich an einen Vortrag über das Wesen der Götter, den Vater Timothy einmal hielt – obgleich ich dabei fast eingeschlafen wäre. So, wie dieser Priester es darlegte, gibt es widerstreitende Kräfte, nämlich positive und negative, die manchmal auch gut und böse genannt werden. Gutes kann gegen Gutes nichts ausrichten, genausowenig wie Böses gegen Böses. Um gegen einen Vertreter des Bösen anzukommen, braucht man einen Vertreter des Guten. Die Hohepriesterin wird von den meisten als Dienerin der finsteren Mächte angesehen. Sie konnte diese Kreatur nicht bezwingen, ja nicht einmal in Schach halten. Ich hoffte, der Vater könnte es, da Sung und ihre Diener zu den ›Guten‹ gerechnet werden. Ich wußte natürlich nicht wirklich, ob es möglich war, aber ich konnte doch nicht bloß dastehen und zusehen, wie dieses Ungeheuer einen Palastwächter nach dem anderen zerfleischte!«
»Es hat sich als richtige Überlegung erwiesen.« Aus Aruthas Tonfall sprach nicht geringe Hochachtung.
Ein Gardist betrat den Saal und meldete: »Hoheit, der Priester hat sich erholt und läßt Euch bitten, zu ihm zu kommen.« Arutha sprang fast von seinem Stuhl auf und eilte durch die Tür. Die anderen folgten ihm dichtauf.
Seit mehr als einem Jahrhundert gehörte zum Schloß von Krondor ein Tempel mit einem eigenen Altar für jede Gottheit, damit ein Gast die Möglichkeit hatte, gleichgültig welche der Hauptgottheiten er verehrte, hier geistigen Trost zu finden. Der Orden, dem die Sorge für den Tempel oblag, wechselte dann und wann mit den verschiedenen Ratgebern des Fürsten. Unter Aruthas Verwaltung waren Nathan und seine Akolythen für den Tempel verantwortlich, wie bereits unter Prinz Erland. Die Unterkünfte der Geistlichen lagen im hinteren Teil des Tempels, den Arutha durch die große Halle mit dem Sterngewölbe betrat. Am Ende des Mittelschiffs war hinter der Abtrennung mit den Altären für die vier größeren Götter eine Tür zu sehen. Auf sie eilte Arutha zu. Seine Stiefelsohlen klackten auf dem Fliesenboden, als er an den Altären der niedrigeren Götter zu beiden Seiten des Hauptschiffs vorüberschritt. Schon aus einiger Entfernung bemerkte er, daß die Tür zu Nathans Gemächern offenstand und sich mehrere Personen darin befanden.
Die Akolythen machten ihm sofort Platz. Arutha staunte über die Nüchternheit von Nathans Kammer, die mehr einer Zelle ohne persönlichem Eigentum und Zierrat glich. Außer den nötigen Gebrauchsgegenständen bemerkte Arutha nur eine Statuette Sungs, die als liebreizende junge Frau in langem weißen Gewand abgebildet war. Sie stand auf einem Tischchen neben Nathans Bett.
Der Priester sah mitgenommen und schwach aus, war aber bei wachem Verstand. Kissen stützten seinen Rücken, so daß er halb saß.
Sein Unterpriester stand in der Nähe, um sofort helfend einspringen zu können,
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