Midkemia Saga 03 - Die Gilde des Todes
sich zu dem Priester um, der zur Tür deutete. Als Arutha sie erreichte, hörte er, wie, die Priesterin heftig zu schluchzen anfing.
Im Vorgemach sagte der Priester: »Hoheit, ich bin Julian, Oberpriester des Inneren Kreises. Ich habe unseren Muttertempel in Rillanon von den Geschehnissen hier unterrichtet. Ich…« Offenbar sprach er nur ungern weiter. »Höchstwahrscheinlich werde ich in wenigen Monaten zum Hohenpriester von Lims-Kragma ernannt.
Wir werden ihr…« Er blickte zur geschlossenen Tür zurück. »… jede nur mögliche Pflege angedeihen lassen, aber sie wird nie mehr befähigt sein, uns im Dienst unserer Herrin zu leiten.« Er blickte wieder Arutha an. »Ich habe von den Tempelwachen erfahren, was sich vergangene Nacht zutrug, und soeben hörte ich der Hohenpriesterin Worte. Wenn der Tempel helfen kann, tut er es gern!«
Arutha dachte über das Angebot des Priesters nach. Es war üblich, daß zu den Ratgebern des höheren Adels ein Priester eines der Orden gehörte. Es gab zu vieles von Bedeutung, was dem Übernatürlichen zugerechnet werden konnte, als daß der Adel auf geistlichen Beistand verzichten konnte. Deshalb war Aruthas Vater auch der erste gewesen, der sich seinen üblichen Ratgebern einen Magier hinzugefügt hatte. Doch gedeihliche Zusammenarbeit zwischen Orden und weltlicher Obrigkeit, ja selbst zwischen Regenten untereinander, war selten. Schließlich antwortete Arutha: »Habt Dank, Julian. Wenn wir ein bißchen mehr über das wissen, womit wir es hier zu tun haben, werden wir um Euren Rat ersuche n. Mir ist eben erst klargeworden, wie begrenzt mein Weltbild ist. Ich nehme an, Ihr werdet uns von wertvoller Hilfe sein können.«
Der Priester verbeugte sich. Als Arutha sich anschickte zu gehen, flüsterte er: »Hoheit?«
Arutha blickte über die Schulter und sah die besorgte Miene des Priesters. »Ja?«
»Findet, was immer dieses Etwas auch ist, Hoheit. Findet und vernichtet es mit Stumpf und Stiel.«
Arutha vermochte nur zu nicken. Er kehrte in sein Gemach zurück. Leise setzte er sich in einen Sessel, um Jimmy nicht zu wecken, der noch immer tief und fest auf dem Diwan schlief. Arutha sah, daß man inzwischen eine Schale mit Früchten, Käse und gekühlten Wein für ihn auf ein Tischchen gestellt hatte. Jetzt erst wurde ihm bewußt, daß er den ganzen Tag noch keinen Bissen gegessen hatte. Er schenkte sich ein Glas Wein ein, schnitt ein Stück Käse ab und setzte sich wieder. Er legte die Beine auf den Tisch, lehnte sich zurück und ließ seine Gedanken schweifen. Die Erschöpfung zweier Nächte mit wenig Schlaf überwältigte ihn schier, doch zu sehr beschäftigten ihn die Geschehnisse der letzten beiden Tage, als daß er sich Schlummer gegönnt hätte. Eine übernatürliche Wesenheit trieb sich in seinem Landesteil herum, eine mit magischen Kräften, die selbst in den Vertretern der beiden mächtigsten Tempel des Königreichs Furcht hervorrief. Lyam würde in nicht ganz einer Woche ankommen, und fast jeder Edle des Königreichs würde zur Vermählung in Krondor anwesend sein. In seiner Stadt! Und ihm fiel nichts ein, wie er ihre Sicherheit gewährleisten könnte.
Eine Stunde saß Arutha da und sann nach. Er aß und trank, während seine Gedanken Meilen entfernt waren. Er grübelte überhaupt viel, wenn er allein war, und sah er sich einem Problem gegenüber, ging er es von allen Seiten an und schüttelte es wie ein Terrier eine Ratte. Dutzende verschiedener Möglichkeiten, die zu einer Lösung führen mochten, ließ er sich durch den Kopf gehen, und immer wieder prüfte er eingehend selbst den geringsten möglichen Hinweis. Schließlich, nachdem er eine Reihe von Plänen verworfen hatte, wußte er, was er tun mußte. Er nahm die Füße vom Tisch und griff nach einem reifen Apfel aus der Schale vor sich.
»Jimmy!« rief er laut. Der Junge war sofort wach. Mit den Jahren seines gefährlichen Lebens hatte er sich einen leichten Schlaf zu eigen gemacht. Arutha warf dem Jungen den Apfel zu. Mit erstaunlicher Flinkheit setzte Jimmy sich auf und fing ihn wenige Zoll vor dem Gesicht. Arutha konnte nun verstehen, was ihm den Beinamen ›die Hand‹ eingetragen hatte.
»Ja?« Jimmy biß in den Apfel.
»Ich brauche dich, um deinem Meister eine Botschaft zukommen zu lassen.« Jimmy hielt mitten im Abbeißen inne. »Ich möchte, daß du ein Treffen zwischen mir und dem Aufrechten vereinbarst.«
Jimmys Augen weiteten sich voller Unglauben.
Wieder hatte sich vom Bitteren Meer her
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