Midkemia Saga 03 - Die Gilde des Todes
den Abt zu erschrecken. Arutha fuhr fort: »Ich bezweifle nicht, daß es eine Prophezeiung gibt, auch nicht, daß ein Wahnsinniger mit geheimen Kräften meinen Tod ersehnt. Doch daß dies eine große Gefahr für das Königreich bedeuten soll, finde ich weit hergeholt. Zu weit für mich! Da brauchte ich schon andere Beweise!«
Der Abt öffnete den Mund zu einer Antwort, als Jimmy rief: »Was ist denn das?«
Aller Augen folgten seinem deutenden Finger. Tief am Horizont glühte ein blaues Licht, das heller wurde, als wüchse ein Stern vor ihren Augen. »Es sieht wie eine Sternschnuppe aus!« sagte Martin erstaunt.
Doch dann wurde ihnen allen klar, daß es kein Stern sein konnte.
Ein schwaches Summen begleitete das näherkommende Etwas. Noch leuchtender wurde es und das Summen lauter. Was über den Himmel auf sie zubrauste, war ein blaues Feuer. Und plötzlich war es über dem Turm mit einem Zischen, als tauche man glühendes Eisen in Wasser.
Da brüllte Bruder Dominic: »Schnell! Hinunter vom Turm!«
Zusammenstoß
Sie zögerten einen Augenblick.
Dominics Warnung folgte ein Schrei Micahs, und alle hasteten die Treppe hinunter. Auf halbem Weg zum Erdgeschoß schwankte Bruder Dominic plötzlich auf den Füßen. »Etwas naht!«
Unten angelangt, rannten Arutha und die anderen zur Tür und spähten hinaus. Über ihnen rasten mit unglaublicher Geschwindigkeit weitere der hellglühenden Objekte über den Himmel. Von einer Richtung kamen sie, dann aus einer anderen, und ihr seltsames, unheildrohendes Dröhnen und Zischen erfüllte die Nacht. Schneller, immer schneller schossen sie durch die Luft, glühende Streifen in Blau und Grün und Gelb und Rot zerrissen die Dunkelheit.
»Was ist das?« schrie Jimmy, um das Zischen zu übertönen.
»Eine Art magischer Wächter«, antwortete der Abt. »Ich spüre, daß sie das Gebiet absuchen, über das sie hinwegsausen.«
Langsam änderte sich die Bewegung. Statt unmittelbar über ihnen vorbeizuziehen, begannen sie abzubiegen und tangential zu ihrem ursprünglichen Kurs zu fliegen. Von unten sah man nun, daß sie langsamer wurden und die Kurven immer enger, bis die glühenden Objekte hoch oben in großen Bogen durch die Nacht zischten. Dann verminderte ihre Geschwindigkeit sich noch weiter, und man konnte sie deutlicher erkennen. Es waren große Kugeln, die von innen heraus pulsierend leuchteten und in denen seltsame dunkle Schatten zu bemerken waren – beunruhigend in ihrem Aussehen. Weiter bremsten sie ab, bis sie sich schwebend drehten und einen Kreis über dem Klosterhof bildeten. Sobald der Kreis geschlossen war, sah man zwölf glühende Kugeln lautlos und reglos über dem Hof hängen.
Und plötzlich, mit einem tiefen reißenden Laut und einem Summen, das die Ohren schmerzte, schossen Strahlen heraus und überbrückten den Zwischenraum je eines Paares, und sechs Linien verbanden den Ring. Dann formte sich eine Linie um den äußeren Rand, so daß die Kugeln jetzt ein Zwölfeck bildeten.
»Was sind dies für Objekte?« fragte sich Gardan laut.
»Die Zwölf Augen«, antwortete der Abt erschüttert. »Es ist ein uralter, legendärer Zauber. Kein Lebender dürfte die Macht haben, ihn zu rufen. Die Zwölf Augen dienen sowohl der Beobachtung als auch als Waffe.«
Da begannen die Kugeln sich langsam zu bewegen. Immer schneller werdend woben sie ein verwirrendes Muster, dem das Auge nicht mehr zu folgen vermochte. Immer rascher wirbelten sie, bis sie zu einem verschwommenen, leuchtenden Ganzen zu werden schienen. Ein Strahl schoß aus der Mitte herab und prallte von einer unsichtbaren Barriere oberhalb der Dächer der Klostergebäude ab.
Dominic schrie vor Schmerzen auf. Er taumelte und mußte von Martin gestützt werden. Der Mönch preßte die Hände an die Schläfen und stöhnte: »So gewaltig… Ich kann es kaum glauben.« Er öffnete die tränenden Augen und murmelte: »Der Schutzschirm hält stand!«
Vater John erklärte: »Bruder Dominics Geisteskräfte sind der Ursprung des unsichtbaren Schildes über dem Kloster. Sie werden über alle Maßen angegriffen.«
Erneut schoß ein Strahl herab und wurde wie ein bunter Regen über den ganzen Schutzschirm verstreut. Wie Scherben und Splitter eines Regenbogens glitt der verstreute Strahl die Seiten des Schirmes herab, so daß seine Kuppelform nun wahrzunehmen war.
Noch immer hielt der Schild stand. Doch immer weitere Strahlen schossen herab, und schon bald war zu erkennen, daß der Schirm bei jedem neuen Angriff tiefer
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