Midkemia Saga 04 - Dunkel über Sethanon
dreingeschaut hatte, wenn er sich für irgendeine Missetat bei seiner Mutter entschuldigte. »Ich fühle mich, als hätte ich beide gewonnen und verloren.«
Pug nickte. »Wir werden niemals wieder die Jungen sein, die wir einmal waren, Tomas. Aber wir sind etwas Größeres geworden, als wir uns erträumt haben. Dennoch sind die Dinge von Wert immer einfach. Oder leicht.«
Tomas starrte hinaus aufs Meer. »Ich habe gerade an meine Eltern gedacht. Ich habe sie seit dem Ende des Krieges nicht mehr besucht. Ich bin nicht mehr der, den sie einmal gekannt haben.«
Pug verstand ihn. »Es wird schwer für sie sein, doch sie sind gute Menschen und werden deinen Wandel annehmen. Und sie werden ihr Enkelkind sehen wollen.«
Tomas seufzte, dann lachte er, halb vergnügt und halb verbittert. »Calis ist ziemlich anders als das, was sie erwartet haben, aber mit mir ist es ja genauso. Nein, ich fürchte mich nicht davor, sie wiederzusehen.« Er sah Pug an. Leise sagte er: »Ich fürchte mich davor, sie niemals wiederzusehen.«
Pug dachte an seine eigene Frau, Katala, und an die anderen in Stardock. Er faßte Tomas für einen Moment am Arm und dachte nach. Trotz ihrer Stärke und ihrer Fähigkeiten, ihren in dieser Welt unerreichten Talenten, waren sie sterblich, und noch mehr als Tomas war sich Pug dessen bewußt. Und Pug behielt noch tiefere Ahnungen und dunklere Ängste für sich. Die Stille der Eldar und ihrer Übungen, ihre Gegenwart auf Kelewan, und die Einblicke, die er durch ihren Unterricht erhalten hatte, zeigten Pug all jene Möglichkeiten, von denen er hoffte, daß sie sich nicht bewahrheiteten. Er hatte beschlossen, darüber erst zu reden, wenn ihm keine andere Wahl mehr blieb. Also schob er seine Sorgen zur Seite und sagte: »Komm, wir müssen Gathis suchen.«
Sie standen da und überblickten den Strand. An einer Stelle teilte sich der Weg. Pug wußte, der eine Pfad führte zur Burg, der andere in das Tal, wo das seltsame Haus mit den Nebengebäuden gestanden hatte, vom Zauberer Villa Beata genannt, in dem er Macros zum ersten Mal begegnet war. Pug wünschte sich nun, sie hätten den Komplex besichtigt, als er und die anderen zurückgekehrt waren, um das Erbe von Macros anzutreten und die Akademie in Stardock zu eröffnen. Denn diese Gebäude waren verschwunden, und an ihrer Stelle fanden sie nur diese uralten Bäume ... ein weiteres der vielen Geheimnisse, die sich um Macros den Schwarzen rankten. Sie folgten dem Weg, der zur Burg führte.
Die Burg stand auf einer Klippe, die steil zum Meer abfiel und vom Rest der Insel durch eine tiefe Schlucht abgetrennt war. Das Getöse der Wellen in der Meerenge dröhnte zu ihnen hinauf, während sie langsam die heruntergelassene Zugbrücke überquerten. Die Burg war aus hier unbekanntem schwarzem Stein erbaut, und auf dem großen Bogen über den Falltor hockten seltsame Kreaturen aus Stein, die Tomas und Pug mit ihren toten Augen anstarrten, während sie unter ihnen hindurchgingen. Von außen sah die Burg genauso aus wie beim letzten Mal, als Pug hier gewesen war, doch drinnen war nicht zu übersehen, daß alles andere sich verändert hatte.
Während des letzten Besuches waren Burg und Innenhof gut in Schuß gewesen, doch jetzt wiesen die Steine des Fundamentes große Risse auf, aus denen Unkraut wuchs, und der Hof war übersät mit Vogelexkrementen und den Überresten ihrer Mahlzeiten. Sie eilten auf die großen Türen des Bergfrieds zu, die unverschlossen waren. Als sie sie aufstießen, bestätigte das Quietschen der Angeln ihren jämmerlichen Zustand. Pug führte seinen Freund durch die lange Halle und dann die Treppe des Turms hoch, bis sie zu der Tür von Macros' Studierzimmer kamen. Beim letzten Mal hatte er einen Zauber gebraucht und zusätzlich noch eine Frage in der Sprache der Tsurani beantworten müssen, um die Tür zu öffnen; jetzt genügte ein einfacher Stoß. Das Zimmer war leer.
Pug wandte sich um, und sie eilten die Treppe wieder hinunter, bis sie in den großen Saal der Burg kamen. Pug schrie: »Hallo, Burg!« Seine Stimme hallte hohl von den Wänden wider.
Tomas sagte: »Scheinbar sind alle gegangen.«
»Ich verstehe das nicht. Als ich mit Gathis gesprochen habe, sagte er, er würde hier wohnen, auf Macros' Rückkehr warten und das Haus solange in Ordnung halten. Ich habe ihn nur kurz kennengelernt, doch ich war mir sicher, er würde die Burg so erhalten, wie wir sie zuletzt gesehen haben ...«
»Solange er dazu imstande war«, sagte Tomas.
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