Midkemia Saga 05 - Gefährten des Blutes
Pug. »Ja, aber was für ein Junge warst du?«
James dachte einen Moment lang über die Frage nach, dann erwiderte er: »Frech. Das Wort fällt mir dazu als erstes ein.« Er sah zu, wie die Dämmerung heraufzog. Keiner der Männer sagte in den folgenden Minuten etwas, sie betrachteten einfach das Sonnenlicht, welches die tiefhängenden Wolken im Osten anstrahlte. Der glühende Rand der Sonnenscheibe schob sich langsam über den Horizont. James sagte: »Ich … Manchmal war ich auch einfach töricht. Ich hatte keine Ahnung, wo die Grenzen dessen lagen, was ich tun konnte. Wenn ich dieses Leben so weitergeführt hätte, wäre ich, daran zweifle ich nicht im geringsten, irgendwann einen Schritt zu weit gegangen. Höchstwahrscheinlich wäre ich heute längst tot.«
»Frech«, wiederholte Pug, »und manchmal töricht.« Er deutete mit dem Kopf auf die Akademie. »Kaum anders als die beiden fürstlichen Zwillinge.«
James lächelte. »Kaum anders als die Prinzen.«
»Und was noch?«
James dachte nach. Und sagte dann ohne falsche Bescheidenheit: »Außergewöhnlich und herausragend, könnte man, glaube ich, sagen, oder zumindest begabt. Dinge, die die Menschen um mich herum verwirrten, erschienen mir immer durchsichtig.
Vielleicht war die Welt damals auch durchsichtiger. Allerdings bin ich mir nicht sicher, ob ich als Junge nicht schon genauso schlau war, wie ich jetzt als erwachsener Mann bin.«
Pug bedeutete James mit einer Geste, er solle mit ihm kommen, und begann langsamen Schrittes zum Wasser hinunterzugehen. »Als Junge erschienen mir meine bescheidenen Träume wie die großartigsten Dinge. Heute …«
»Du wirkst besorgt«, versuchte es James.
»Nicht in dem Sinne, wie du es vielleicht verstehst«, antwortete Pug. James wandte sich Pug zu und betrachtete den rätselhaften Ausdruck auf dessen Gesicht. »Erzähl mir von dem Mordversuch an Borric. Du warst schließlich dabei.«
James meinte: »Die Nachricht hat sich aber schnell verbreitet.«
»Das haben schlechte Nachrichten so an sich. Und wenn es zwischen dem Königreich und dem Kaiserreich wieder zu einer Auseinandersetzung käme, würde das auch uns hier betreffen.«
»In Anbetracht eurer Lage kann ich das verstehen. Ihr seid ein Fenster zum Kaiserreich.« Er zeigte nach Süden, in Richtung der nicht allzuweit entfernten Grenzen. James erzählte Pug, was er über den Mordversuch wußte, und schloß seinen Bericht mit den Worten: »Ohne Zweifel war der Meuchler aus Kesh, doch die Hinweise, die auf das Kaiserliche Haus deuten, als wäre der Anschlag dort ausgeheckt worden … es ist zu offensichtlich. Ich glaube, jemand möchte uns auf die falsche Fährte locken.« Er drehte sich um, als sie außer Sichtweite der Ortschaft kamen, und betrachtete die oberen Stockwerke der Akademie. »Habt ihr hier viele Menschen aus Kesh?«
Pug nickte. »Und aus Rolden, Queg, von den Gipfeln der Quor und anderen Orten. Wir geben hier wenig darauf, von welchem Volk jemand stammt. Wir beschäftigen uns mit anderen Dingen.«
James sagte: »Die beiden, die gestern abend bei dir waren …«
»Watume und Körsh, ja. Sie sind aus Kesh. Sogar aus der Stadt Kesh.« Ehe James etwas sagen konnte, fuhr Pug fort: »Sie sind keine Spione des Kaiserreiches. Das würde ich wissen. Vertraue mir. Sie schenken der Politik keine Beachtung. Und sie sind viel zu erpicht darauf, uns weiterhin vom Rest der Welt abgeschirmt zu halten.«
James drehte sich noch einmal um und faßte das gewaltige Bauwerk, welches die Akademie darstellte, ins Auge. »Das hier ist ein Herzogtum des Königreichs, zumindest dem Namen nach. Aber es haben sich schon viele gefragt, was ihr hier eigentlich gebaut habt. Viele am Hof halten diesen Ort für ausgesprochen merkwürdig.«
»Und gefährlich«, setzte Pug hinzu. James sah dem Magier in die Augen. »Aus diesem Grunde darf die Akademie in den Auseinandersetzungen zwischen den Völkern niemals Partei ergreifen, und zwar für keine Seite. Darauf achte ich sehr streng.«
James dachte über diese Worte nach. »Es gibt nur wenige Adlige, die sich mit dem Gedanken an Magie so gut anfreunden können wie der König und sein Bruder. Wenn man wie sie mit Kulgan aufgewachsen ist, denkt man sich einfach nichts dabei. Doch andere…«
»… würden uns lieber aus den Städten und Dörfern vertrieben sehen oder auf dem Scheiterhaufen oder am Galgen. Ich weiß«, sagte Pug. »In den zwanzig Jahren, seit wir hier arbeiten, hat sich vieles verändert … und doch noch so
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