Midleifcrisis
unten die Köhlbrandbrücke im Hamburger Hafen betrachte: 55 Meter hoch und bei Hamburger Selbstmördern eine äußerst angesagte Location.
Ich fahre zurück in mein leeres Pensionszimmer.
Die Rettung aus meiner deprimierenden Einsamkeit ereilt mich in Form meines ehemaligen Sportkumpels Matze, eines Freundes aus Jugendtagen, der eines Abends mit geschultertem Seesack vor meiner Tür steht und fragt, ob er bei mir schlafen kann. Nicht, dass Matze früher mein liebster Kumpel gewesen wäre, wenn er getrunken hat, wird er laut, außerdem ist er ein Schnorrer vor dem Herrn, doch ich bin froh, dass ich nicht mehr allein bin.
Cornelia hat Matze rausgeworfen, er hat fremdgevögelt und ist aufgeflogen, jetzt ist er ziemlich durch den Wind und ich sage: »Willkommen im Club«, und lasse ihn neben mir im Bett pennen. »Wofür sind zweitbeste Kumpels da«, denke ich, auch wenn ich die nächsten Nächte ausschließlich saufe und er mir dabei die Ohren vollheult, während ich mich weigere, ihm meine Geschichte mit Laura zu erzählen.
Matze und ich verbringen noch sieben Tage nebeneinander im Pensionsbett, doch dieses Arrangement ist nicht meine erste Wahl. Die Wirtin schlägt weitere 25 Euro auf die Miete auf und hält uns offenbar für schwul.
Matze hat die Angewohnheit, nach Alkoholgenuss beim Einschlafen schlicht atemberaubend zu furzen, ich hingegen schnarche, an erotische Abenteuer mit irgendwelchen Frauen ist jetzt gar nicht mehr zu denken. Da auch er nicht weiß, wohin, legen wir eine Woche Extrem-Wohnungs-Besichtigen ein und beziehen am Ende des Monats eine etwas heruntergekommene Vier-Zimmer-Altbaubude auf St. Pauli. Kostet 1200 warm, aber durch zwei geteilt, ist das gerade noch tragbar und nach meinen Abenteuern auf dem Wohnungsamt bin ich sehr erleichtert. Zudem malt Matze uns unsere Zukunft als ein endloses Männerfest aus, Pokerrunden mit allen alten Kumpels wollen wir veranstalten, jeden Abend auf den Kiez gehen. Matze träumt davon, dass wir irgendwann zwei Frauen aufreißen und sie uns eine Nacht lang teilen. Kein schlimmer Gedanke, obwohl mir im Augenblick entschieden nicht nach Frauen ist, und eines ist eh klar: Die Arbeit damit würde ich haben, denn Matze ist auf der Piste ein Klotz am Bein, ihm fehlt eine gewisse Leichtigkeit in der Konversation, und wenn er nach spätestens einer Stunde seinen glasigen Alkoholblick kriegt, kann man jede Form der Kontaktaufnahme vergessen, jedenfalls mit Frauen, die nicht im erotischen Dienstleistungsgewerbe arbeiten.
Aber die Wohnung ist eine glatte Eins, zumindest meine Hälfte, denn im Gegensatz zu Matze bin ich meinen Zimmern in drei durchwerkelten Nächten mit Tapeten, Farbe und Teppichmesser zu Leibe gerückt, ein schweineteurer Besuch bei Ikea sorgt nach zwei weiteren Tagen Schrauberei für eine papa- und kindgerechte Einrichtung. Matze hingegen wohnt weiter zwischen Umzugskisten, schläft auf einer alten Matratze ohne Laken und unsere Wohnküche sieht aus wie Sau, aber ich sehe einfach nicht ein, warum ich jetzt auch dort noch renovieren soll, denn eines ist klar: Bevor Matze, die faule Sau, auch nur einen Handschlag tut, stürzt die fünfstöckige Hütte vor Altersschwäche ein.
In unserer Straße stehen Abend für Abend einige käufliche Damen, sie verleihen dem Blick vom Balkon einen Hauch von Hemingway und es ist spannend, die Freier zu beobachten, die eine halbe Stunde auf und ab laufen, verschämte Blicke um sich werfen, um dann wie zufällig zu den Nutten zu schlendern. Wir sitzen oben und schließen Wetten darauf ab, welcher der umherstreunenden Kerle sich als Erster traut.
Zwei von den Mädels stehen jeden Abend genau vor unserem Haus, nach einer Weile winken wir uns abends zu, wenn Matze und ich am Balkongeländer lehnen und sie ihrer Arbeit nachgehen. Matze ist drauf und dran, die beiden nach oben einzuladen, doch ich verweigere kategorisch, mit Nutten vögeln will ich nicht, ein kleines bisschen Reststolz sollte man sich erhalten. Um ihn zu trösten, schleppe ich Matze ins »Hans-Albers-Eck« und er kriegt kullergroße Augen. Joachim hat mir den Tipp gegeben, der Laden ist halb Kneipe, halb Disco und berühmt dafür, dass hier jede feierwütige Touristin aufschlägt, die mit ihren Mädels auf verlängertem Hamburg-Wochenende ist. Ich tue so, als würde ich mich in dieser Hinsicht auskennen, und sage zu Matze: »Halt dich an die Touristenweiber. Schneller kriegste ’ne Nummer nur, wenn du draußen bei den Nutten bezahlst. Und Ärger hast du
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