Midnight Breed 02 - Gefangene des Blutes-neu-ok-10.11.11
sich
und schnüffelte in der Luft. Sein Gesicht war zum Teil verdeckt, aber Chase
konnte erkennen, dass die Augen seines Neffen bernsteingelb in seinem blassen
Gesicht glühten.
„Cam, ich bin’s. Dein Onkel. Leg
das Messer weg, Junge.“
Es gab keine Anzeichen dafür,
dass Camden ihn verstanden hatte - und er ließ auch das Messer nicht los. Er
drehte sich langsam um wie ein Tier, das sich plötzlich bewusst wird, dass es
in die Enge getrieben wurde.
„Es ist vorbei“, sagte Chase.
„Du bist jetzt in Sicherheit. Ich bin hier, um dir zu helfen.“
Noch während er es sagte, fragte
sich Chase, ob er das wirklich ernst meinte. Er nahm die Waffe ein wenig
herunter, ließ sie aber entsichert. Jeder Muskel in seinem Arm war angespannt,
sein Finger lag am Abzug. Eine böse Vorahnung - so kalt wie der Durchzug in
der Wohnung - beschlich ihn. Auch Chase fühlte sich in die Enge getrieben. Er
war sich seiner selbst nicht sicher und erst recht nicht seines Neffen.
„Camden, deine Mutter macht sich
große Sorgen um dich.
Sie möchte, dass du nach Hause
kommst. Wirst du das für sie tun, Junge?“
Ein langer Moment verstrich in
argwöhnischem Schweigen.
Chase beobachtete den einzigen
Nachkommen seines Bruders, der sich langsam umdrehte und seinen Onkel ansah.
Chase war auf das, was er sah, nicht vorbereitet. Er versuchte seine Reaktion
unter Kontrolle zu halten. Doch sein Magen revoltierte, als er die
blutbefleckte, zerlumpte Erscheinung des Jungen sah, der noch vor wenigen
Wochen mit seinen Freunden gescherzt und gelacht hatte - ein glückliches Kind,
dessen Zukunft so vielversprechend war.
In dem verwilderten Mann, der
sich nun drohend vor ihm aufbaute, war von der einstigen Hoffnung nichts mehr
zu sehen.
Seine Kleidung war beschmiert
von dem Blutbad in der ersten Etage, und er hielt das Messer noch immer fest
umklammert.
Seine Augen waren zu schmalen
Schlitzen verengt, seine Pupillen schwarze Splitter in einem leeren, gelben
Blick.
„Cam, bitte … zeig mir, dass du
noch irgendwo da drinnen bist.“
Chases Handflächen fingen an zu
schwitzen. Sein rechter Arm bewegte sich wie von selbst, und er hob langsam die
Waffe.
Der Rogue grunzte und duckte
sich leicht. Sein wilder Blick hetzte berechnend und abwägend hin und her.
Chase wusste nicht, ob die Gedanken, die durch Camdens Kopf schossen, ihm zum
Kampf oder zur Flucht rieten. Er hob die Neunmillimeter ein wenig höher, und
sein Finger zitterte am Abzug.
„O Scheiße … das ist nicht gut.
Das ist verdammt noch mal gar nicht gut.“
Mit einem trostlosen Seufzen
richtete er die Waffe nach oben und gab einen Schuss in die Decke ab. Der Knall
der Explosion hallte durch den Raum. Camden ergriff aufgeschreckt die Flucht,
sprang quer durchs Zimmer und rannte an Chase vorbei in Richtung
Balkonschiebetür. Schneller als ein Augenaufschlag sprang er über das Geländer
und war nicht mehr zu sehen.
Chase sackte zusammen und ging
in die Knie. Ein beklemmendes Gefühl aus Erleichterung und Reue überkam ihn. Er
hatte seinen Neffen gefunden, aber einen Rogue entkommen lassen. Als er
schließlich den Kopf hob und zur Türöffnung blickte, sah er dort Tegan stehen.
Der Krieger musterte ihn mit einem scharfen, wissenden Blick. Er hatte nicht
gesehen, wie Chase den Rogue entkommen ließ, aber er wusste es auch so.
Dieser gefühllose grüne Blick
schien alles zu wissen.
„Ich konnte es nicht“, murmelte
Chase, schüttelte den Kopf und starrte auf die abgefeuerte Waffe. „Er gehört zu
meiner Sippe … ich konnte es einfach nicht.“
Tegan sagte einen Moment lang
nichts und sah ihn abschätzend an. „Wir müssen los“, bemerkte er dann
ausdruckslos. „Die Frau ist in schlechter Verfassung. Dante wartet mit ihr im
Wagen.“
Chase nickte und folgte dem
Krieger aus dem Gebäude.
Dantes Puls raste noch immer vor
Furcht und Wut. Er bettete Tess auf den Rücksitz des Rovers, deckte sie mit
seiner Jacke zu, um sie warm zu halten, und hielt sie in seinen Armen. Er hatte
sein T-Shirt ausgezogen und in Streifen gerissen, um die Wunde an ihrem Handgelenk
und die erheblich ernstere Verletzung an ihrem Hals behelfsmäßig zu verbinden.
Sie lag sehr still an seiner Brust und schien fast nichts zu wiegen. Er sah ihr
ins Gesicht und war dankbar, dass der Angriff der Rogues nicht über die bereits
zugefügten Qualen hinausging. Sie hatten sie weder vergewaltigt noch geschlagen
und gefoltert, wie das für gewöhnlich ihrer kranken Art entsprach. Angesichts
ihrer
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