Midnight Breed 02 - Gefangene des Blutes-neu-ok-10.11.11
mit der sich
dieser Berserker auf ihn gestürzt hatte, verhieß den sicheren Tod. Er war
völlig verblüfft, als der Kerl - Himmel, war der überhaupt menschlich? - ihm
befahl, aus dem Wagen zu steigen. Dann drückte er ihm das Foto von dem Jungen
in die Hand, den er suchte. Er ließ ihn wissen: Wenn dieser Cameron oder Camden
oder wie er gleich hieß, als Leiche auftauchte, würde Ben allein die Verantwortung
dafür übernehmen müssen.
Jetzt war Ben daran beteiligt,
bei der Suche zu helfen und sicherzustellen, dass der Bursche in einem Stück
wieder nach Hause kam. Bens Leben hing davon ab. Am liebsten würde er
spornstreichs aus der Stadt verschwinden - alles hinter sich lassen und
vergessen, dass er je das Wort Crimson gehört hatte - , aber er wusste,
der Irre von heute Nacht würde ihn überall aufspüren. Der Kerl hatte es ihm
versprochen, und Ben war nicht danach, eine zweite Kostprobe seines Zorns auf
sich zu ziehen.
„Verflucht“, schimpfte er, als
Tess’ Telefon auf Anrufbeantworter umschaltete.
Trotz seiner eigenen Sorgen
fühlte er sich moralisch verpflichtet, Tess vor dem Kerl zu warnen, mit dem sie
sich neuerdings herumtrieb. Bei einem dermaßen psychopathischen Kumpel war der
andere sicher mindestens genauso gefährlich, da ging Ben jede Wette ein.
Herrje … Tess.
Als nach der Ansage des
Anrufbeantworters der Piepton kam, berichtete Ben hastig von den Ereignissen
der Nacht, angefangen damit, dass ihm die zwei Schlägertypen bei seiner Wohnung
aufgelauert hatten. Er schilderte, wie ihn der eine vorhin angefallen hatte.
Dann gestand er, dass er sie mit dem anderen gesehen hatte und um ihr Leben
fürchtete, wenn sie den Kerl weiterhin traf.
Er hörte seine eigene Stimme - atemlos,
gehetzt, am Rande der Hysterie und eine Tonlage schriller als gewöhnlich. Als
endlich alles heraus war, knallte er den Hörer auf die verschrammte Gabel und
merkte, dass er kaum noch Luft bekam.
Er lehnte sich an die mit
Graffiti beschmierte Wand der Telefonzelle, beugte sich vornüber, schloss die
Augen und versuchte, sein durchgeknalltes Nervensystem unter Kontrolle zu
bringen.
Eine Flut von Gefühlen
überschwemmte ihn, Panik, Schuld, Hilflosigkeit, knochentiefes Entsetzen. Er
wollte alles ungeschehen machen - die vergangenen Monate; alles, was passiert
war; alles, was er getan hatte. Wenn er doch nur zurückgehen und die Dinge
löschen könnte, sie richtigstellen. Ob Tess dann mit ihm zusammen sein würde?
Er wusste es nicht. Und es war auch verdammt egal, weil er nichts davon
ungeschehen machen konnte - im wirklichen Leben gab es keine Rückgängig-Taste.
Das Beste, worauf er jetzt noch
hoffen konnte, war zu überleben.
Ben holte tief Luft und zwang
sich wieder in eine aufrechte Position. Er drückte sich aus der Telefonzelle
und trottete die finstere Straße entlang. Er sah wohl aus wie der Leibhaftige,
denn ein Obdachloser wich vor ihm zurück, als er die Fahrbahn überquerte und
Richtung Hauptstraße humpelte. Im Gehen zog er das Foto des Jungen hervor, nach
dem er Ausschau halten sollte.
Er starrte auf den
blutbespritzten Schnappschuss, versuchte sich das Bild einzuprägen. So hörte er
den sich nähernden Wagen erst, als das Fahrzeug ihn fast überrollte. Bremsen
kreischten, und das Auto kam abrupt zum Stehen. Die Türen öffneten sich
gleichzeitig und ein Trio ungemütlich aussehender Rausschmeißertypen sprang
heraus.
„Kleiner Spaziergang, Mr.
Sullivan?“
Ben schaltete erschrocken auf
Fluchtmodus um, schaffte aber keine zwei Schritte, bevor er an Armen und Beinen
gepackt wurde. Er sah die Fotografie auf dem nassen Asphalt landen und einen
schweren Stiefel drauftrampeln, als die Männer ihn zu dem wartenden Auto
schubsten.
„Wir sind froh, Sie endlich
ausfindig gemacht zu haben“, sagte eine Stimme, die menschlich klang, es aber
irgendwie nicht war. „Als Sie zu unserer Verabredung heute Nacht nicht
erschienen sind, war der Meister sehr ungehalten. Es wird ihn freuen zu hören,
dass Sie jetzt auf dem Weg sind.“
Ben wehrte sich, aber es war
zwecklos. Sie stießen ihn in den Kofferraum, warfen die Heckklappe zu und
tauchten ihn in Dunkelheit.
24
Es kam Tess vor, als strahlten
die Farben der frühen Morgendämmerung leuchtender als sonst. Die frische
Novemberluft wirkte belebend, als sie den kurzen Spaziergang mit Harvard
beendete. Als sie und der Terrier die Stufen zu ihrer Wohnung hinaufliefen,
fühlte sie sich stärker, leichter, spürbar befreit von den
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