Midnight Breed 02 - Gefangene des Blutes-neu-ok-10.11.11
menschlich.“
Sie trat von der Anrichte weg,
während die Aufzeichnung weiterlief. Bens verzerrte Stimme erschreckte sie
mindestens so sehr wie das, was er sagte.
„… Arschloch hat mich
gebissen - er hat meinen Kopf gegen die Scheibe geknallt und wie ein
Irrer auf mich eingeschlagen, und dann … er … verdammte Scheiße … er hat
mich allen Ernstes gebissen! Verdammt noch mal, mein Hals blutet immer
noch. Ich muss ins Krankenhaus oder so …“
Tess wich ins Wohnzimmer zurück,
als könnte der räumliche Abstand von Bens Stimme sie vor dem bewahren, was sie
hörte.
Sie wusste nicht, was sie davon
halten sollte.
Wie konnte Dante - wenn auch
nur als Mittäter - in einen solchen Angriff auf Ben verwickelt sein? Sicher,
als er letzte Nacht waffenstarrend und blutend - ganz offensichtlich von einer
Kampfverletzung - bei ihr aufgetaucht war, sagte er, er hätte einen Dealer
verfolgt. Es war durchaus möglich, dass er damit Ben gemeint hatte. Betrübt
musste sie sich eingestehen, dass bei Ben ein solcher Rückfall in alte
Gewohnheiten schon denkbar war.
Aber jetzt erzählte er totalen
Unsinn. Menschen, die sich in Monster mit Fangzähnen verwandelten? Raserei und
Gewalttätigkeit wie aus einem Horrorfilm? Solche Dinge fanden im richtigen
Leben nicht statt, nicht einmal in den härtesten Gefilden der Realität. Es war
schlicht unmöglich.
War es das?
Tess stand mit einem Mal vor der
abgedeckten Skulptur, an der sie letzte Nacht gearbeitet hatte. Der Skulptur,
die Ähnlichkeit mit Dante hatte. Die sie jedoch verpfuscht hatte und
wahrscheinlich wegwerfen würde. Sie hatte doch die Mundpartie völlig verhunzt,
oder? Irgendwie war da ein skurriles Zähnefletschen entstanden, das ihm
überhaupt nicht ähnelte …
Ihre Finger kribbelten, als sie
nach dem Stoff griff, der das Stück verdeckte. Verwirrung und eine seltsame,
quälende Furcht saßen ihr wie ein Stein im Magen, als sie den Saum des Gewebes
erfasste und es von der Büste zog. Ihr stockte der Atem, als sie sah, was sie
modelliert hatte. Der Fehler, den sie gemacht hatte, verlieh Dante ein wildes,
animalisches Aussehen - scharfe, lange Reißzähne verwandelten sein Lächeln in
ein raubtierhaftes Fletschen.
Unerklärlicherweise hatte sie
ihm Fangzähne verpasst.
„Ich habe echt Angst, Tess.
Um uns beide“, ertönte Bens Stimme aus dem Lautsprecher des
Anrufbeantworters. „Bitte … was auch immer du tust, halt dich um
Himmels willen von diesen Typen fern.“
Dante ließ seine Malebranche -Klingen
wirbeln, eine in jeder Hand. Der Stahl blitzte im Neonlicht der Trainingsanlage
ihres Quartiers. Dann fuhr er mit atemberaubender Schnelligkeit herum, griff
die Polymer-Übungspuppe an und hieb zentimetertief klaffende Scharten in die
dicke Plastikhaut. Mit einem Aufbrüllen drehte er sich einmal um sich selbst
und stürzte erneut auf den lebensgroßen Dummy los.
Er brauchte wenigstens die
Simulation eines richtigen Kampfes.
Wenn er noch länger untätig
herumsaß, würde er noch irgendjemanden umbringen. Im Moment stand Sterling
Chase, der Agent aus dem Dunklen Hafen, ganz oben auf seiner Liste.
Dicht gefolgt von Ben Sullivan,
der verdammten Nummer zwei.
Zur Hölle, am besten wäre es,
wenn er beide auf einmal erledigen könnte.
Er kochte vor Wut, seit er zum
Anwesen zurückgekehrt war und erfahren hatte, dass der Agent mit ihrem
Crimson-Dealer nicht aufgetaucht war. Lucan und die anderen hielten sich für
den Moment noch an die Devise: im Zweifel für den Angeklagten. Aber Dante hatte
das unbestimmte Gefühl, dass Chase seinen Befehl, Sullivan ins Quartier zu
bringen, bewusst missachtet hatte.
Dante musste herausfinden, was
passiert war, aber Anrufe und E-Mails an die Adresse des Agenten im Dunklen
Hafen erbrachten keinerlei Rückmeldung. Unglücklicherweise würde eine
persönliche Befragung bis Sonnenuntergang warten müssen.
Was noch rund zehn verflixte
Stunden hin ist, dachte Dante und führte einen weiteren wilden Angriff
gegen die Übungspuppe aus.
Was das Warten besonders schlimm
machte, war, dass er Tess nicht erreichen konnte. Er rief gleich morgens in
ihrem Apartment an, aber sie hatte es wohl schon verlassen und war zur Arbeit
gegangen. Er konnte nur hoffen, dass sie in Sicherheit war. Falls Chase Ben
Sullivan nicht umgebracht hatte, lief der Kerl womöglich frei auf der Straße
herum, und das hieß, er konnte Tess aufsuchen. Dante glaubte zwar nicht
unbedingt, dass ihr von ihrem Exfreund Gefahr drohte, aber er hätte
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