Midnight Breed 02 - Gefangene des Blutes-neu-ok-10.11.11
elend,
verängstigt und verwirrt. „Was ist hier los, Dante? In was bist du wirklich
verwickelt?“
„Tess, hör mir bitte zu. Ich
möchte, dass du irgendwo hingehst, wo es sicher ist. Jetzt sofort. Geh in ein
Hotel, ein öffentliches Gebäude, irgendwohin - nur geh jetzt sofort und bleib
da, bis ich dich heute Abend abhole.“
Tess lachte auf, aber es war ein
humorloser Klang, der ihr in den Ohren wehtat. „Ich arbeite, Dante. Und selbst
wenn ich nicht arbeiten würde, glaube ich nicht, dass ich irgendwo hingehen und
auf dich warten werde. Nicht, bevor ich verstehe, was hier vor sich geht.“
„Ich werde es dir erklären,
Tess. Versprochen. Ich hatte sowieso vor, dir alles zu erzählen, selbst wenn
das alles nicht passiert wäre.“
„In Ordnung. Gut. Mein Zeitplan
ist für heute ausgebucht, aber ich kann in ein paar Stunden eine Mittagspause
einlegen.
Falls du mit mir reden willst,
wirst du herkommen müssen.“
„Ich … verflucht. Ich
kann jetzt noch nicht, Tess. Ich …
kann gerade nicht. Es muss heute
Abend sein. Bitte. Du musst mir vertrauen.“
„Dir vertrauen“, flüsterte sie,
schloss die Augen und schlug ihren Kopf gegen die Bürotür. „Ich glaube, das ist
etwas, das ich gerade nicht kann. Ich muss jetzt weitermachen. Ciao.“
Sie klappte das Handy zu und
deaktivierte es. Sie wollte nicht mehr reden, mit niemandem.
Sie ging hinüber zum
Schreibtisch, um das Handy abzulegen, als ihr Blick an etwas hängen blieb, das
sie beunruhigte, seit sie es heute Morgen gefunden hatte. Es war ein
Flashdrive, ein kleiner tragbarer Datenspeicher. Sie hatte es ganz hinten unter
dem Untersuchungstisch in einem der Klinikzimmer entdeckt.
Im selben Raum, in dem Ben
gestern gewesen war - als sie ihn überraschend ertappt und er Ausflüchte gemacht
hatte, er sei nur gekommen, um die Hydraulik des Tischs zu reparieren.
Tess hatte schon vermutet, dass
er nicht ehrlich zu ihr gewesen war - in mehr als einer Hinsicht. Jetzt wusste
sie es mit Sicherheit. Die Frage war nur: warum?
Dante funkelte sein Handy an und
ließ es in einem Wutausbruch mittels Willenskraft quer durchs Zimmer schießen
und an der gegenüberliegenden Wand zerschellen, wo es Funken sprühte und in
hundert kleine Teile zersprang. Das Zerstören war befriedigend, wenn auch kurz.
Aber das genügte nicht, um seinen Zorn zu beschwichtigen.
Dante nahm sein Umherrennen
wieder auf, marschierte hin und her, wie er es getan hatte, als er mit Tess
telefonierte. Er musste sich jetzt bewegen. Er musste seinen Körper in Bewegung
halten - und seinen Geist wachsam.
Er hatte in letzter Zeit bei
allem ein sagenhaftes Durcheinander angerichtet. Während er nie auch nur eine
Spur Bedauern empfunden hatte, vom Stamm geboren zu sein, brodelte sein
Vampirblut jetzt vor Frust, weil er hier drinnen gefangen war.
Das raubte ihm jede Möglichkeit,
die Dinge mit Tess zu regeln
- jedenfalls bis die Sonne
endlich unterging und ihn freiließ, um sich in Tess’ Welt zu begeben.
Das Warten würde ihm noch den
Verstand rauben.
Und das hätte es auch beinahe.
Als er ein paar Minuten vor
Sonnenuntergang in die Trainingsanlage ging, um Tegan zu holen, war er
hektisch, seine Haut kribbelte heiß und fühlte sich überall zu eng an. Er
brannte darauf, zu kämpfen. In seinen Ohren summte es ununterbrochen, als wäre
ein Schwarm Bienen in seinem Blut unterwegs.
„Bist du startklar, T?“
Der Gen-Eins-Krieger mit den
lohfarbenen Haaren lud eine Beretta. Er sah kurz auf und lächelte kalt, als er
das Magazin einschob. „Klar. Lass uns loslegen.“
Gemeinsam gingen sie den
verschlungenen Korridor entlang zum Fahrstuhl, der sie zum Fuhrpark des Ordens
in die Garage auf Straßenebene bringen würde.
Als die Türen sich schlossen,
kribbelten Dantes Nasenlöcher, und er meinte den beißenden Geruch von Rauch
wahrzunehmen. Er sah Tegan an, doch der schien unbeeindruckt. Seine
smaragdgrünen Augen waren auf einen imaginären Punkt fokussiert, und er trug
seine charakteristische ungerührte, emotionslose Gelassenheit zur Schau.
Der Fahrstuhl begann seine
lautlose Fahrt nach oben. Dante fühlte, wie Hitze nach ihm griff. Sie ging vom
Gespenst einer Flamme aus, die nur darauf wartete, dass er langsam genug wurde,
sodass sie ihn erwischen konnte. Er wusste, was das war.
Natürlich. Die Todesvision
verfolgte ihn schon den ganzen Tag, aber er hatte es geschafft, sie abzuwehren.
Er weigerte sich standhaft, der sensorischen Folter nachzugeben, denn er
brauchte
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