Midnight Breed 03 - Geschöpf der Finsternis-neu-ok-13.11.11
ihre Gabe
abzublocken, an die Wand getackert hatte. „So, wie du gestern Nacht ausgesehen
hast, kommst du wunderbar zurecht.“
„Du musstest mir nicht helfen.“
„Ich weiß“, sagte er. Sein
Tonfall und sein Gesicht waren völlig ausdruckslos.
„Warum hast du es dann getan?
Wieso bist du zurückgekommen?“
Er hob eine massige Schulter.
„Ich dachte, du wüsstest vielleicht gern, dass der Orden das Crimson-Labor in
die Luft gejagt hat. Das Labor, die Produktionsmaterialien, die Leute, die dort
arbeiteten … alles eingeäschert.“
„Oh, Gott sei Dank.“
Eine Welle der Erleichterung
überkam sie wie Balsam. Elise schloss die Augen und fühlte, wie sich heiße
Tränen hinter ihren Lidern sammelten. Zumindest konnte die teuflische Droge,
die ihr Camden genommen hatte, nun keiner anderen Mutter mehr den Sohn rauben.
Sie brauchte einen Moment, bis sie so weit ihre Fassung zurückgewonnen hatte,
um Tegan ansehen zu können, und als sie es schließlich tat, sah sie, dass seine
smaragdgrünen Augen auf ihr ruhten.
Sie wischte die Tränen von den
Wangen. Es war ihr peinlich, dass der Krieger ihr dabei zusah, wie sie
zusammenbrach. „Tut mir leid. Ich wollte nicht so emotional sein. Ich habe nur
dieses … Loch in meinem Herzen, seit Quentins Tod. Und als ich dann auch
noch meinen Sohn verloren habe ...“ Sie schweifte in Gedanken ab, unfähig, zu
beschreiben, wie leer sie sich fühlte.
„Ich ... es tut einfach so weh .“
„Es geht vorüber.“ Seine Stimme
klang abgehackt und ausdruckslos, genauso gut hätte er ihr eine Ohrfeige
versetzen können.
„Wie kannst du nur so etwas
sagen?“
„Weil es wahr ist. Trauer ist
ein unnützes Gefühl. Je schneller du das herausgefunden hast, desto besser wird
es dir gehen.“
Jetzt starrte Elise ihn mit
offenem Mund an, sie war entsetzt.
„Was ist mit der Liebe?“
„Was ist damit?“
„Hast du denn nie jemanden
verloren, den du geliebt hast?
Wissen Männer wie ihr, die für
Mord und Zerstörung leben, denn überhaupt, was Liebe bedeutet?“
Er nahm ihren wütenden Ausbruch,
ohne auch nur mit der Wimper zu zucken, zur Kenntnis, sah sie einfach weiter
mit einem unbewegten, unerschütterlichen Blick an, sodass sie ihn am liebsten
über den Küchenblock hinweg angesprungen und geschlagen hätte.
„Iss dein Frühstück“, sagte er
mit entnervender Höflichkeit.
„Du solltest dich ausruhen,
solange du kannst. Sobald die Sonne untergeht, bin ich hier raus, und du bist
wieder auf deine eigenen Schutzmechanismen angewiesen. So viel die wert sein
mögen.“
Er ging zu dem langen, schwarzen
Ledermantel hinüber, der ordentlich über dem Stepper hing, und zog mit
unbewegter Miene sein Handy heraus. Als er eine Nummer wählte, verspürte Elise
den absurden Drang, ihren Teller aufzuheben und ihm an den Kopf zu knallen, nur
um dem steinernen Krieger eine wie auch immer geartete Reaktion zu entlocken.
Aber als sie ihm zuhörte, wie er
die Zentrale des Ordens anrief, mit dieser tiefen Stimme, die so sachlich und
unbewegt klang, erkannte Elise, dass sie ihn nicht so sehr unsympathisch fand,
sondern vielmehr beneidete. Wie schaffte er es nur, immer so kalt und
distanziert zu bleiben? Seine übersinnliche Gabe war ihrer eigenen gar nicht so
unähnlich. Am gestrigen Abend hatte er ihre Qual unmittelbar erfahren, indem er
sie berührte, aber im Gegensatz zu ihr hatte sie ihm nichts anhaben können. Wie
schaffte er es nur, solche Schmerzen auszuhalten?
Vielleicht lag es daran, dass er
Gen-Eins war. Vielleicht war es die spezielle Kraft der ersten
Vampir-Generation, die ihn so undurchdringlich machte, ihn wirken ließ, als stünde
er über den Dingen. Aber vielleicht war es auch Training. Wenn er es gelernt
hatte, wenn das etwas war, was man lernen konnte, dann konnte es auch gelehrt
werden.
„Zeig mir, wie du es machst“,
sagte Elise, als er sein Gespräch beendet hatte und das Handy zuklappte.
„Wie ich was mache?“
„Du sagst, ich muss lernen,
meine mentalen Kräfte zu kontrollieren, also zeig mir, wie ich das mache. Bring
es mir bei. Ich will so sein wie du.“
„Nein, das willst du nicht.“
Sie ging um den Küchenblock
herum zu ihm. „Tegan, zeig’s mir. Ich kann dir und dem Orden nützlich sein. Ich
will helfen.
Ich muss helfen, verstehst du
das nicht?“
„Vergiss es.“ Er machte
Anstalten, sich von ihr zu entfernen.
„Warum? Weil ich eine Frau bin?“
In einer Bewegung, die so
schnell war, dass ihr der Atem stockte, fuhr Tegan zu ihr
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