Midnight Breed 03 - Geschöpf der Finsternis-neu-ok-13.11.11
plötzlich eine Hand aus und legte sich
auf ihre.
„Elise? Meine Güte, wie
wundervoll, dich zu sehen!“
Schon befand sie sich in einer
festen, warmherzigen Umarmung. Als sie sich daraus löste, erfüllte sie eine
Woge der Freude, das Gesicht einer lieben alten Freundin zu sehen. „Anna,
hallo. Gut siehst du aus.“
„Es geht mir auch gut. Und du -
wie lange ist es her, dass wir uns gesehen haben? Die Jungen waren ja noch so
klein. Waren sie überhaupt schon sechs, als wir damals alle zusammen waren?“
„Sie waren sieben“, sagte Elise,
als ein Ansturm der Erinnerungen sie traf. Camden und Annas Sohn Tomas hatten
sich damals schnell angefreundet und einen ganzen Sommer miteinander verbracht,
bevor die Agentur Annas Gefährten nach Europa abberufen hatte.
„Ich kann kaum glauben, wie
schnell die Zeit vergeht“, rief die andere Stammesgefährtin aus, dann nahm sie
Elises Hand in ihre beiden Hände. „Wir haben natürlich gehört, was mit Quentin
geschehen ist. Es tut mir so leid, Elise. Mein Beileid, von ganzem Herzen.“
Elise versuchte, ein Lächeln
hinzubekommen. „Danke dir. Es war … eine schwere Zeit. Aber ich gebe mir Mühe,
mich an das Leben ohne ihn zu gewöhnen, so gut ich eben kann.“
Anna schnalzte mitfühlend mit
der Zunge. „Armer Camden.
Ich kann mir vorstellen, wie
schwer es für ihn gewesen sein muss, seinen Vater zu verlieren, als er gerade
erst in die Pubertät kam. Wie hält er sich? Ist er mit dir nach Berlin
gekommen? Ich weiß, dass Tomas entzückt wäre, ihn zu sehen.“
Alles Blut schien Elise aus dem
Kopf zu weichen angesichts dieser wohlmeinenden Fragen. Der namenlose Schmerz
über seinen Verlust war immer noch so frisch in ihrem Herzen. So frisch, dass
sie kaum ihre Stimme fand. „Camden ist … nun, er ist nicht hier. Vor einigen
Monaten gab es in Boston einen Vorfall. Er … nun, er ist in Schwierigkeiten
geraten, und er …“
Sie musste noch einmal tief Atem
holen, um die Worte aussprechen zu können. „Camden ist ermordet worden.“
Anna wurde weiß vom Schock. „Oh,
Elise! Vergib mir, ich hatte ja keine Ahnung …“
„Ich weiß. Das konntest du nicht
wissen. Es ist schon gut.
Cam hatte einen raschen Tod, und
nur sehr wenige wissen davon.“
„Oh, meine Liebe. Du hast so
viel durchgemacht. Solche Tragödien durchzustehen … du musst die stärkste Frau
sein, die ich kenne. So kurz nacheinander so viel zu verlieren … Es hätte mich
umgeworfen, das weiß ich sicher. Ich glaube, ich hätte mich einfach zusammengerollt
und wäre vor Schmerz gestorben.“
Es hätte auch Elise so gehen
können. Der Herr allein wusste, dass sie es am Anfang genauso hatte machen
wollen. Aber dann war ihre Wut gekommen und hatte sie durch ihr erstes Leid
getragen.
Den restlichen Kummer würde ihr
ihre Rache nehmen.
„Man tut, was man tun muss, um
so etwas zu überleben“, hörte sie sich zu der niedergeschmetterten Frau sagen,
die sie mit so viel Mitleid ansah, dass es wehtat. „Man tut einfach … was nötig
ist.“
„Natürlich“, erwiderte Anna, deren
Lächeln jetzt etwas angestrengt wirkte, es gelang ihr nicht recht, ihr
Unbehagen über die unangenehme Richtung, die das Gespräch genommen hatte, zu
verbergen. „Wie lange bist du hier? Wenn du Zeit hast, könnte ich dir die Stadt
zeigen. Wir haben hier wunderbare Parks und Museen …“
„Vielleicht.“ Elise sah auf ihr
Weinglas hinab, als hätte sie eben erst bemerkt, dass es leer war. „Wenn du
mich bitte entschuldigen würdest? Ich glaube, ich werde jetzt einen kleinen
Spaziergang machen und mir davor noch etwas zu trinken holen.“
„Sicher“, sagte Anna, die Augen
immer noch weich vom Mitgefühl. „Es war schön, dich zu sehen, Elise. Wirklich.“
Elise gab der Hand ihrer
Freundin einen leichten Druck.
„Dich auch.“
Als sie sich anschickte,
weiterzugehen, wogte plötzlich ein tiefes Gemurmel durch die Menge. Elise
brauchte sich gar nicht umzudrehen, um zu sehen, was der Grund dafür war; sie
spürte es an der plötzlichen Unruhe tief in ihren Knochen und am warmen,
wissenden Prickeln, das sich in ihrer Brust auszubreiten begann.
„Um Himmels willen“, murmelte
der Agent Waldemar in wenigen Metern Entfernung von ihr. Er und einige seiner
Spießgesellen starrten in offener Verachtung zum Eingang des Ballsaales. „Man
müsste doch meinen, dass er zumindest den Anstand besitzen sollte, zu einem
solchen Anlass in angemessener Kleidung zu erscheinen. Jämmerliche Wilde, jeder
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